Europameister mit ansteckendem Fußball: Das wäre wunderbar. Und dann noch eine schöne, glänzende Medaillensammlung für das deutsche Team bei den Olympischen Spielen in Paris, vielleicht garniert mit einer überzeugenden Bewerbung Deutschlands um die Olympischen Sommerspiele 2036. Das gäbe Auftrieb im Sport, bewirkte vielleicht eine Wende der allgemein wahrnehmbaren Stimmungslust, überall den Untergang zu entdecken. Inzwischen suggeriert ja schon ein Trikotwechsel laut Regierung einen Patriotismusverlust.

Es gibt Wichtigeres. Im Sport vor allem – vor einer rauschenden EM-Partie, vor Gold-Dekorationen oder Phantasien um Sommerspiele – das Wohl der Sportlerinnen und Sportler in den rund 90.000 Vereinen. Es war und es ist in Gefahr. Regelmäßig berichten – bislang vorwiegend – Spitzensportlerinnen von subtiler bis hin zu massiver physischer, psychischer oder sexualisierter Gewalt in ihrem Trainings- und Wettkampfalltag.

Die Voraussetzungen dafür sind wie geschaffen für Menschen, die ihre Neigungen rücksichtslos ausleben, weil etwa beim Training Berührungen wie selbstverständlich erscheinen; weil der Spitzensport sehr hierarchisch, bisweilen militärisch organisiert ist und deshalb viel Spielraum lässt für Abhängigkeiten und üble Machtspiele. Das hat der organisierte Sport erkannt, wie sich auch an dem außerordentlichen Engagement von Funktionären des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), der Deutschen Sportjugend und des Vereins Athleten Deutschland erkennen lässt.

Die Vorbereitung zur Entwicklung eines „Zentrums für Safe Sport“ und eines Kodex zum Schutz von Kleinen wie Großen vor Gewalt jeder Form ist so gut durchdacht wie unvermeidlich. Zwischen den Zeilen des umfassenden, alle Parteien ansprechenden Lösungsvorschlags für eine lückenlose Harmonisierung steht aber eine berechtigte Sorge: dass nicht jeder Sportverband, nicht jeder Vereinsvorstand die nötige Aufgabenverteilung, die Übertragung eines Teils der Kontrolle und der Kompetenz auf das unabhängig zu haltende Zentrum akzeptiert.

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Der autonome Sport dürfte nicht dazu gezwungen werden. Er muss es schon freiwillig tun, aus Überzeugung, verantwortlich zu sein für den Schutz seiner Mitglieder. Dafür wird er viel Kraft, auch Geld aufbringen müssen. Aber der Einsatz wird sich lohnen. Er stärkt das Vertrauen der Sportler und schafft die Basis für Medaillen, die keine düstere Seite bieten.

QOSHE - Aus Überzeugung Vertrauen schaffen - Anno Hecker
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Aus Überzeugung Vertrauen schaffen

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27.03.2024

Europameister mit ansteckendem Fußball: Das wäre wunderbar. Und dann noch eine schöne, glänzende Medaillensammlung für das deutsche Team bei den Olympischen Spielen in Paris, vielleicht garniert mit einer überzeugenden Bewerbung Deutschlands um die Olympischen Sommerspiele 2036. Das gäbe Auftrieb im Sport, bewirkte vielleicht eine Wende der allgemein wahrnehmbaren Stimmungslust, überall den Untergang zu entdecken. Inzwischen suggeriert ja schon ein Trikotwechsel laut Regierung einen Patriotismusverlust.

Es gibt Wichtigeres. Im Sport vor allem – vor einer rauschenden EM-Partie, vor Gold-Dekorationen oder Phantasien um Sommerspiele – das Wohl der........

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