Geld für den Präsidenten! Das ist ein heikles Thema im Sport. Berührt es doch das Selbstverständnis vieler altgedienter Ehrenamtlicher und die Erwartungen vieler Sportvereinsmitglieder: der Ehre wegen, nicht um des schnöden Mammons willen. So war das, und so ist es in den meisten der 90.000 deutschen Vereine. Bewundernswert.

Aber die Welt hat sich weitergedreht. Mit der Entwicklung des Sports ist der Organisations- und Führungsaufwand gewaltig gestiegen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Alle wollen den Präsidenten oder die Präsidentin sehen, heute hier, morgen da. In den großen Verbänden, zum Beispiel im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), sind aus den Ehrenamtsjobs Halbtagsbeschäftigungen geworden.

Deshalb sollte die Mitgliederversammlung des DOSB an diesem Samstag in Frankfurt der Einrichtung einer Kommission zustimmen, die, aus ihrer Mitte bestimmt, den Präsidiumsmitgliedern des DOSB eine angemessene Aufwandsentschädigung zugestehen würde. Um Missverständnissen und polemischen Reaktionen vorzubeugen: Es wäre nicht um Hunderttausende Euro im Jahr gegangen, sondern um die Frage, wie Verdienstausfälle halbwegs ausgeglichen werden können.

DOSB-Präsident Thomas Weikert hat in diesem Jahr nach Angaben des Verbandes bislang 278 Termine an 145 Tagen für den Dachverband des deutschen Sports in Deutschland und im Ausland wahrgenommen. Er darf das Reisekostengesetz (für Beamte) in Anspruch nehmen, einen Dienstwagen nutzen und gegen Belege 250 Euro im Monat abrechnen.

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Der Verdienstausfall des Rechtsanwaltes in eigener Kanzlei wird es ihm nicht länger erlauben, sich so für den DOSB einzusetzen, wie es sein muss. Sein Problem? Der Hinweis von Kritikern, das Präsidium habe vor seiner Wahl gewusst, worauf es sich einlasse, ist zumindest im Fall Weikert nicht ganz richtig. Beim Auswahlprozess für die Nachfolge von Alfons Hörmann war den Kandidaten, wie einer von ihnen der F.A.Z. bestätigte, die Lösung der Finanzierungsfrage in Aussicht gestellt worden.

Vielleicht gab es dazu kein Mandat. Und sicher drückte die Forderung die Begeisterung der Verbände, wenn sie gleichzeitig über die Erhöhung der an den DOSB zu entrichtenden Mitgliedsbeiträge um fünf Cent abstimmen sollen. Damit lässt sich aber nicht der Widerstand begründen, der in den Mitgliedsverbänden des DOSB zu erkennen ist und zum Scheitern des Antrags schon am Donnerstagabend führte. Weil keine Mehrheit für das Projekt zu erkennen war, wurde er zurückgezogen.

Aus der Distanz betrachtet scheint es so, als würde versucht, mit der Debatte über die Aufwandsentschädigung Macht- und Personalpolitik zu betreiben. Gegner Weikerts, die mehr Führung von ihm fordern etwa beim Thema Spitzensportreform, votierten intern allenfalls für eine kleine Aufwandsentschädigung – die sich der Präsident kaum leisten könnte. Aber diesen Verdacht wiesen zwei Zeugen der teils heftigen Auseinandersetzung gegenüber der F.A.Z. zurück. Thema sei eine ungenügende Vorbereitung, eine mangelhafte Kommunikation und letztlich die Furcht vor der Außenwirkung gewesen: Mit einer Bezahlung des Präsidenten werde das Ehrenamt in Frage gestellt, das Selbstverständnis des organisierten Sports.

Das Scheitern mag für eine verfehlte Strategie, für einen ungünstigen Zeitpunkt sprechen. Das Problem aber bleibt dem DOSB erhalten. Denn bei der Berechnung, ob 50.000 Euro oder 150.000 pro Jahr angemessen sind, sollte nicht eine Person im Mittelpunkt stehen, sondern die Bedeutung des Amtes. Andernfalls werden nur noch vermögende Privatiers und Pensionäre bereit sein, den größten Sportverband der Welt zu führen.

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Geld, wem Geld gebührt

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01.12.2023

Geld für den Präsidenten! Das ist ein heikles Thema im Sport. Berührt es doch das Selbstverständnis vieler altgedienter Ehrenamtlicher und die Erwartungen vieler Sportvereinsmitglieder: der Ehre wegen, nicht um des schnöden Mammons willen. So war das, und so ist es in den meisten der 90.000 deutschen Vereine. Bewundernswert.

Aber die Welt hat sich weitergedreht. Mit der Entwicklung des Sports ist der Organisations- und Führungsaufwand gewaltig gestiegen. Entsprechend hoch sind die Erwartungen. Alle wollen den Präsidenten oder die Präsidentin sehen, heute hier, morgen da. In den großen Verbänden, zum Beispiel im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), sind aus den Ehrenamtsjobs Halbtagsbeschäftigungen geworden.

Deshalb sollte die Mitgliederversammlung des DOSB an diesem Samstag in Frankfurt der Einrichtung einer Kommission zustimmen, die, aus ihrer Mitte bestimmt, den Präsidiumsmitgliedern des DOSB eine angemessene Aufwandsentschädigung........

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