Es gehört nicht zu den Kernaufgaben eines Finanzministers, sich mit nuklearstrategischen Fragen zu beschäftigen. Dafür, dass Christian Lindner es dennoch tut, muss es gewichtige Gründe geben. Den FDP-Vorsitzenden treibt erkennbarer als den Bundeskanzler die Sorge um, dass Deutschland wie auch das ganze freie Europa sich bei einem Präsidenten Trump nicht mehr auf das amerika­nische Schutzversprechen verlassen könnte.

Zweitens lässt sich aus Lindners Zeilen die Aufforderung an den Kanzler herauslesen, endlich auf die Angebote Macrons zu reagieren, über die Rolle der französischen Atomwaffen im Rahmen einer europäischen Abschreckungsstrategie zu sprechen. Es gibt bisher keinen Beleg dafür, dass Berlin Macrons Offerten angenommen hat. Der Kanzler baut all seinen Erklärungen nach weiter darauf, dass es auch in Zukunft amerikanische Atomraketen sein werden, die Deutschland und seine Nachbarn vor Putin schützen.

Daran zweifelt in der Ampelkoalition aber nicht nur Lindner. Auch die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl, Barley, meinte nach den jüngsten Äußerungen Trumps, auf die amerikanische Garantie sei kein Verlass mehr. Daher könnten auch für die EU Atombomben ein Thema werden.

Nuklearraketen mit dem blauen Sternenbanner brauchte der Kreml freilich noch lange nicht zu fürchten. Eher wird Putin zum Friedensengel, als dass die EU-Mitgliedstaaten sich auf den Aufbau einer solchen Streitmacht und deren Einsatzrichtlinien einigen können. Wer sollte im Fall des Falles auf den roten Knopf drücken? Da ist es realistischer, mit Paris und London darüber zu sprechen, ob sie ihre Nuklearstreitkräfte in den Dienst einer Abschreckungsstrategie für das ganze europäische Bündnisgebiet der NATO stellen wollten.

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Doch eine Erfolgsgarantie gibt es auch dafür nicht. Es ist nicht sicher, dass die Brexit-Briten noch zur Bildung einer nuklearen Schicksalsgemeinschaft bereit wären und Paris nach der nächsten Präsidentenwahl noch zu Macrons Offerte stehen würde. Und was machte Berlin als nuklearer Habenichts dann?

QOSHE - Atombomben mit dem blauen Sternenbanner? - Berthold Kohler
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Atombomben mit dem blauen Sternenbanner?

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13.02.2024

Es gehört nicht zu den Kernaufgaben eines Finanzministers, sich mit nuklearstrategischen Fragen zu beschäftigen. Dafür, dass Christian Lindner es dennoch tut, muss es gewichtige Gründe geben. Den FDP-Vorsitzenden treibt erkennbarer als den Bundeskanzler die Sorge um, dass Deutschland wie auch das ganze freie Europa sich bei einem Präsidenten Trump nicht mehr auf das amerika­nische Schutzversprechen verlassen könnte.

Zweitens lässt sich aus Lindners Zeilen die Aufforderung an den Kanzler herauslesen, endlich auf die Angebote Macrons zu reagieren, über die........

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