Das vernichtendste Urteil, das der Oppositionsführer über den Bundeskanzler nach dessen Regierungserklärung gesprochen hat, griff auf einen früheren Regierungschef der SPD zurück, für den sich nicht wenige Sozialdemokraten schämen: Sogar verglichen mit Schröder, so Merz, müsse man über Scholz sagen, er könne es nicht.

Der Kanzler nahm das äußerlich so ungerührt hin wie den Titel „Klempner der Macht“, den der CDU-Vorsitzende ihm auch noch gab. Unpassend war der nicht. Scholz’ erster ausführlicher Reaktion auf Karlsruhe merkte man an, dass im Kanzleramt lange an ihr herumgeschraubt worden war. Doch mehr als Notbehelfe, mit denen die Ampel den kapitalen Wasserrohrbruch im Staatshaushalt flicken will, konnte Scholz nicht präsentieren. Brauchte man zu Hause eine neue Heizung, würde man nicht in Berlin anrufen.

Scholz erklärte ausführlich, warum seine Regierung trotz vielfacher Warnungen, auch aus Karlsruhe selbst, angeblich nicht wissen konnte, dass ihre Verstöße gegen fundamentale Grundregeln der Haushaltspolitik verfassungswidrig sind. Die Ampelparteien hatten, als sie den Schuldenleim anrührten, der ihr Bündnis zusammenhalten sollte, schlicht darauf gesetzt, dass ihm das Bundesverfassungsgericht keinen Strich durch die Rechnung machen werde: Die Ampel spielte Vabanque mit sehr hohem Einsatz. Karlsruhe fühlte sich – zum Glück – aber nicht an den Koalitionsvertrag gebunden, der nur dadurch zustande gekommen war, dass die drei Parteien sich wechselseitig die Erfüllung ihrer jeweiligen Herzenswünsche zusagten. Die Widersprüche zwischen ihnen waren nur mit Krediten zu überbrücken, denen freilich die Schuldenbremse im Weg stand. Also buchte man um, fröhlich, aber rechtswidrig.

Zwei Jahre nach Amtsantritt steht die Ampel jetzt wieder da, wo sie zu Beginn der Koalitionsverhandlungen stand. Allerdings ist schon zur Mitte der Legislaturperiode der Ruf der drei Parteien ramponiert und ihr Verhältnis zerrüttet. Um nicht auch noch den Haushalt für das laufende Jahr als mehrfach verfassungswidrig um die Ohren geschlagen zu bekommen, musste die Regierung realitätswidrig eine Notlage erklären. Nur so kann sie abermals die Schuldenbremse aussetzen, was jedenfalls die FDP nicht mehr mitmachen wollte.

Wie das riesige Finanzloch im nächsten Jahr geschlossen werden soll, blieb auch nach Scholz’ Regierungserklärung im Dunkeln. Mit der Verschiebung der Haushaltsberatungen gewinne man Zeit, „vorhandene Spielräume im Haushalt auszuloten, Schwerpunkte zu setzen und natürlich auch Ausgaben zu beschränken“, sagte Scholz. Wo gespart werden soll, sagte er nicht. Im Alltag der Deutschen werde sich in den kommenden Jahren aber nichts ändern: nicht beim Kindergeld, nicht beim Wohngeld, nicht beim Bafög und auch nicht bei der Rente (die mit mehr als hundert Milliarden aus dem Bundeshaushalt bezuschusst wird, das ist der größte Posten im Etat). Zu vielem anderen – Kindergrundsicherung, Steuern, Subventionen – blieb der Kanzler stumm. Er konnte noch nichts verkünden. Darum wird nun in der Koalition gestritten werden bis aufs Messer.

Diesen Kampf könnte die Opposition dem Regierungsbündnis allenfalls dann ersparen, wenn sie ihm zu Willen wäre und bei der „Modernisierung“ der Schuldenbremse mitmachte. Ginge es dabei wirklich nur um „Zukunftsinvestitionen“ und nicht um Präsente für die jeweilige Klientel, ließe sich darüber reden, wie die Stärkung von Wirtschaft und Staat auf Kredit zu finanzieren wäre. Doch wer wollte dieser Koalition noch einen Schwur glauben?

Das Bündnis der aufgeflogenen Trickser verlangt nun allen Ernstes von der Union, sich als staatstragend zu erweisen. Damit meint die Ampel, dass CDU und CSU ihr bei der Flucht aus der selbst verschuldeten Misere durch das Abfeilen der Schuldenbremse helfen soll. Die Union tut gut daran, sich nicht in die Haftungsgemeinschaft der Koalitionspleitiers ziehen zu lassen, auch wenn die Versuchung bei den Ministerpräsidenten groß ist, die um die Milliarden für die Projekte in ihren Ländern fürchten. Staatstragend, daran sollten sich wenigstens alle in der Union erinnern, sind solide Staatsfinanzen.

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Merz kündigte an, der Regierung zu helfen, wenn sie ihre Wirtschafts-, Finanz-, Energie- und Umweltpolitik grundlegend neu ausrichte – was nötig wäre, um der „neuen Realität“ gerecht zu werden, über die der Kanzler sprach. Doch von einer radikalen Kurskorrektur, einer „Zeitenwende“ über die Verteidigungspolitik hinaus, kündete seine Regierungserklärung nicht. Die Ampel ist innerlich erloschen – wenn sie denn je wirklich leuchtete. Zusammengehalten wird sie nur noch von der Angst der drei Parteien, bei einer vorgezogenen Wahl so abgestraft zu werden wie keine Koalition vor ihr. Wann immer ihre Zeit auch endet: Wer die Erblast der Regierung Scholz übernehmen muss, ist nicht zu beneiden.

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Diesen Klempner würde man nicht rufen

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28.11.2023

Das vernichtendste Urteil, das der Oppositionsführer über den Bundeskanzler nach dessen Regierungserklärung gesprochen hat, griff auf einen früheren Regierungschef der SPD zurück, für den sich nicht wenige Sozialdemokraten schämen: Sogar verglichen mit Schröder, so Merz, müsse man über Scholz sagen, er könne es nicht.

Der Kanzler nahm das äußerlich so ungerührt hin wie den Titel „Klempner der Macht“, den der CDU-Vorsitzende ihm auch noch gab. Unpassend war der nicht. Scholz’ erster ausführlicher Reaktion auf Karlsruhe merkte man an, dass im Kanzleramt lange an ihr herumgeschraubt worden war. Doch mehr als Notbehelfe, mit denen die Ampel den kapitalen Wasserrohrbruch im Staatshaushalt flicken will, konnte Scholz nicht präsentieren. Brauchte man zu Hause eine neue Heizung, würde man nicht in Berlin anrufen.

Scholz erklärte ausführlich, warum seine Regierung trotz vielfacher Warnungen, auch aus Karlsruhe selbst, angeblich nicht wissen konnte, dass ihre Verstöße gegen fundamentale Grundregeln der Haushaltspolitik verfassungswidrig sind. Die Ampelparteien hatten, als sie den Schuldenleim anrührten, der ihr Bündnis zusammenhalten sollte, schlicht darauf gesetzt, dass ihm das Bundesverfassungsgericht keinen Strich........

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