In einer Sache muss man Kevin Kühnert recht geben: Für diese Debatte haben immer mehr Deutsche kein Verständnis. Das Bonsai-Basta des SPD-Generalsekretärs wird aber wohl kaum dazu führen, dass die Entscheidung des Kanzlers zum Taurus „respektiert“ wird, schließlich war auch schon dessen „Ich bin der Kanzler“ wirkungslos verpufft.

Scholz gelingt es nicht, die Lufthoheit über die Debatte zurückzugewinnen, weil seine Begründungswindungen für die Nichtlieferung nicht überzeugen. Erst erklärte er gar nichts. Dann äußerte er, die Marschflugkörper könnten nur von deutschen Soldaten bedient werden. Als sich diese Behauptung als unhaltbar herausstellte, schob Scholz nach, dass es ihm um die Kontrolle des Einsatzes gehe, die nur bei Einbeziehung eigener Leute möglich sei.

Warum aber ist der Kanzler dann auch gegen den von London ins Spiel gebrachten Ringtausch? Weil er nicht nur den Ukrainern misstraut, sondern auch den Briten? Dann dürfte auch die Idee aus dem Auswärtigen Amt zum Scheitern verurteilt sein, London den Taurus einfach zu treuen Händen zu überlassen – in der Hoffnung, dass eine Atommacht weniger Angst vor Putins potentieller Reaktion hat als der Kanzler und die SPD. Führende Grüne machen schon lange keinen Hehl daraus, dass sie den Taurus direkt den Ukrainern liefern würden. Und auch in der FDP gehen sie dem Kanzler zunehmend von der Fahne.

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Doch Scholz bleibt beim Stier so stur, dass man sich fragen muss, ob er die Marschflugkörper nicht nur als Belege seiner Friedensliebe behalten will, sondern auch aus einer noch nicht ausbuchstabierten Vorsicht für den Fall, der wahrscheinlicher zu werden droht: Gewönne Putin den Krieg in der Ukraine, müsste Deutschland zusammen mit den Verbündeten den Kreml von der Fortsetzung des Feldzugs abschrecken. Die Bundeswehr aber ist, wie der Bericht der Wehrbeauftragten zeigt, immer noch in einem erbarmungswürdigen Zustand. Der Taurus jedoch könnte Putin wehtun, das glauben sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Lieferung an die Ukraine.

QOSHE - Für den Fall der ukrainischen Niederlage? - Berthold Kohler
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Für den Fall der ukrainischen Niederlage?

10 0
12.03.2024

In einer Sache muss man Kevin Kühnert recht geben: Für diese Debatte haben immer mehr Deutsche kein Verständnis. Das Bonsai-Basta des SPD-Generalsekretärs wird aber wohl kaum dazu führen, dass die Entscheidung des Kanzlers zum Taurus „respektiert“ wird, schließlich war auch schon dessen „Ich bin der Kanzler“ wirkungslos verpufft.

Scholz gelingt es nicht, die Lufthoheit über die Debatte zurückzugewinnen, weil seine Begründungswindungen für die Nichtlieferung nicht überzeugen. Erst erklärte er gar nichts. Dann äußerte er, die Marschflugkörper........

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