Auch Nachtsitzungen bis früh um sechs wollte die Ampel ganz entschieden nicht mehr nötig haben. Doch nur noch mit einem solchen Verhandlungsmarathon konnten sich der Kanzler, der Vizekanzler und der Finanzminister auf den Haushalt für das kommende Jahr einigen. Im In- und Ausland waren schon Zweifel aufgekommen, ob diese Koalition noch handlungsfähig ist.

Mit auch in den komplexen Verhandlungsergebnissen erkennbarer Mühe schnürten die Protagonisten der drei Koalitionspartner ein Sparpaket, das nicht nur groß genug sein musste, sondern auch noch gesichtswahrend: Keine der drei Parteien wollte als der Verlierer dastehen, der stärker als die anderen Partner für das Desaster in Karlsruhe bezahlen muss. Die große Linie sucht man in diesem Kompromiss vergebens – es sei denn, man hält die Rettung der Ampelkoalition für ein Projekt von alles überragender Bedeutung. Die ist vorerst gelungen.

Angesichts des Ausmaßes der Finanzlücke mussten dafür alle drei Parteien Abstriche von dem machen, was sie in den Koalitionsverhandlungen vor zwei Jahren durchgesetzt hatten, als sie noch glaubten, reichlich (geliehenes) Geld für all ihre Wünsche und Wähler zu haben. Der SPD war es nun wichtig, behaupten zu können, dass der Sozialstaat erhalten bleibt – dessen Abschaffung niemand gefordert hatte; den Grünen, dass der klimaneutrale Umbau des Landes weitergehe – auch wenn die Förderung für die Solarindustrie und die E-Autos reduziert wird; und der FDP, dass nicht die Steuern erhöht würden – wohl aber der CO2-Preis, den man auch eine Steuer für alle nennen könnte.

Scholz hob hervor, dass die Koalition sich, wie von der FDP verlangt, im kommenden Jahr wieder an die Schuldenbremse halten wolle, abgesehen allerdings von den Milliarden für die Flutopfer. Die Ampel setzt darauf, dass CDU und CSU sich dem schlecht verweigern können. Und noch ein weiteres Hintertürchen, das man eher Hintertor nennen muss, ließ die Ampel sich offen: Falls die Unterstützung für die Ukraine aufgestockt werden müsse, werde die Regierung abermals eine Notlage erklären und dem Bundestag einen Überschreitungsbeschluss vorschlagen.

Darüber, ob größerer Beistand gegen Putin nur auf Pump zu finanzieren wäre, wird man trefflich streiten können – nicht aber darüber, dass erheblich größere Anstrengungen zur Stärkung der ukrainischen Verteidigungsfähigkeit nötig sind, wenn eine der drei Befürchtungen eintritt, die den Kanzler umtreiben, und das leider mit Grund. Es sieht derzeit nicht danach aus, dass Putin diesen Krieg verliert. Wer wollte angesichts der Blockade im amerikanischen Kongress noch die Hand dafür ins Feuer legen, dass Washington die Ukrainer im nächsten Jahr weiter so unterstützt wie bisher? Auch die Bundesregierung zweifelt daran.

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Scholz hält es in diesem Zusammenhang ausdrücklich für möglich, dass „die Bedrohung für Deutschland und Europa weiter zunimmt“. Diese stiege dramatisch an, wenn der Kreml die Ukrainer auf die Knie zwänge. In jedem Fall wird Deutschland künftig weit mehr in seine Fähigkeit investieren müssen, Putin von einer Fortsetzung seiner Kriegszüge abzuschrecken. Man kann nur hoffen, dass die Koalition keine Nachtsitzungen braucht, um sich darüber einig zu werden. Denn das ist keine Frage der Gesichtswahrung, sondern der Existenzsicherung.

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Rettungspaket für die Ampel

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13.12.2023

Auch Nachtsitzungen bis früh um sechs wollte die Ampel ganz entschieden nicht mehr nötig haben. Doch nur noch mit einem solchen Verhandlungsmarathon konnten sich der Kanzler, der Vizekanzler und der Finanzminister auf den Haushalt für das kommende Jahr einigen. Im In- und Ausland waren schon Zweifel aufgekommen, ob diese Koalition noch handlungsfähig ist.

Mit auch in den komplexen Verhandlungsergebnissen erkennbarer Mühe schnürten die Protagonisten der drei Koalitionspartner ein Sparpaket, das nicht nur groß genug sein musste, sondern auch noch gesichtswahrend: Keine der drei Parteien wollte als der Verlierer dastehen, der stärker als die anderen Partner für das Desaster in Karlsruhe bezahlen muss. Die große Linie sucht man in diesem Kompromiss vergebens – es sei denn, man hält die Rettung der Ampelkoalition für ein Projekt von alles überragender Bedeutung. Die ist vorerst........

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