Nicht allein in Israel ist man gottfroh, dass die Hamas endlich einige der Geiseln freigelassen hat, die sie vor sieben Wochen in ihr unterirdisches Reich verschleppte. Die Bereitschaft dazu ist freilich kein Zeichen von plötzlicher Menschenfreundlichkeit.

Die Terrororganisation kann ihren Anhängern das Freipressen der inhaftierten Palästinenser als Erfolg präsentieren. Vor allem aber verschafft sie sich mit der Feuerpause Zeit zur Reorganisation ihrer Truppen, denen die israelische Armee schwer zugesetzt hatte. Israel bezahlt diesen Preis dennoch, damit wenigstens einige der Geiseln ihrem Martyrium entkommen können.

Der Waffenstillstand ermöglicht es auch, dringend benötigte Hilfsgüter in den Süden des Gazastreifens zu bringen. Die Kritik an Israels Kriegsführung aber verstummte währenddessen nicht einmal in Europa, wie die Vorwürfe des spanischen Ministerpräsidenten Sánchez zeigen. Er warf den Israelis „wahlloses Töten von unschuldigen Zivilisten“ vor und stellte sie so letztlich auf eine Stufe mit den Terroristen.

Glaubt Madrid, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, allen Ernstes, Israel mit derartiger Kritik zu einer Änderung seiner Politik bewegen zu können? Schon in der EU wird Sánchez Widerspruch ernten, vor allem, aber nicht nur in Berlin.

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Wie man den Dilemmata Israels im Kampf um seine Existenz einerseits und dem Leid der Palästinenser andererseits gerecht werden kann, führt die Videobotschaft des Bundespräsidenten vor. Steinmeier verteidigt darin vehement Israels Recht, sich im Rahmen des Völkerrechts mit aller Macht zu wehren. Aber er weist auch darauf hin, dass Sicherheit für Israel langfristig nur dann möglich ist, wenn die Palästinenser eine Aussicht auf eine erträgliche Zukunft haben.

Es ist verständlich, dass die Israelis mitten im Krieg vor allem daran denken, wie sie ihn gegen einen Gegner gewinnen können, der seinem Ziel, Israel auszulöschen, sogar die eigenen Leute opfert. Doch sollten die Überfallenen den Kampf nicht so führen, dass das Lager ihrer Feinde noch größer und das der wahren Freunde noch kleiner wird.

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Wie Steinmeier, nicht wie Sánchez

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26.11.2023

Nicht allein in Israel ist man gottfroh, dass die Hamas endlich einige der Geiseln freigelassen hat, die sie vor sieben Wochen in ihr unterirdisches Reich verschleppte. Die Bereitschaft dazu ist freilich kein Zeichen von plötzlicher Menschenfreundlichkeit.

Die Terrororganisation kann ihren Anhängern das Freipressen der inhaftierten Palästinenser als Erfolg präsentieren. Vor allem aber verschafft sie sich mit der Feuerpause Zeit zur Reorganisation ihrer Truppen, denen die israelische Armee schwer zugesetzt hatte. Israel bezahlt diesen Preis dennoch, damit wenigstens einige der Geiseln........

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