Für die Grünen im Rhein-Main-Gebiet geht ein Horrorjahr zu Ende. Man darf bezweifeln, dass sich die Partei mit den Gründen für ihr Scheitern in allen Fällen schon ausreichend befasst hat – und die richtigen Konsequenzen daraus zieht. Das Jahr der Niederlagen begann in Mainz, setzte sich in Frankfurt fort, ­erreichte Darmstadt, um dann mit einem Paukenschlag im Wiesbadener Landtag zu enden. In ihrer Dimension greifbarer wird die Niederlage, wenn man schaut, mit welchen Hoffnungen die Grünen auf 2023 blicken konnten: In gleich drei großen Städten in der Region ­erschien es wahrscheinlich, fortan einen Oberbürgermeister stellen zu können. Und in Wiesbaden war Tarek Al-Wazir mit guten Gründen selbstbewusst genug, für die Landtagswahl als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten anzutreten.

Al-Wazir hat in seiner Rolle als Wirtschafts- und Verkehrsminister pragmatisch gehandelt, er hat sich nicht von grünen Ultras vor sich hertreiben lassen, als es um den Vollzug lange beschlossener Bauprojekte im Dannenröder Forst, also den Ausbau der A 49, oder im Frankfurter Osten ging, den Riederwaldtunnel. Manuela Rottmann, die in Frankfurt für die Grünen als Oberbürgermeister-Kandidatin angetreten war, hätte gewusst, wie man eine Verwaltung führt und modernisiert.

Christian Viering war in Mainz gut vernetzt, aber nicht so eloquent wie der parteilose Nino Haase, inhaltlich gab es kaum Unterschiede. In Darmstadt hatten die Wähler vielleicht nichts gegen den Grünen Michael Kolmer, nach zwölf Jahren durchaus aber etwas für einen Wechsel der Partei, die den Oberbürgermeister stellt. Dort spielten Themen der Verkehrspolitik eine Rolle, aber es ist nicht allein der Verdruss der Autofahrer, der die Grünen im zu Ende gehenden Jahr die Chancen verbaut hat.

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War das Rennen in Darmstadt noch halbwegs spannend, so war die Niederlage in Mainz deutlich, und in Frankfurt schaffte es Rottmann nicht einmal in die Stichwahl. Im Land müssen sich die Grünen für die nächste Legislaturperiode mit dem vierten Platz hinter CDU, AfD und SPD zufriedengeben.

Wissend, dass gerade die Wahlen in den Städten stark personenbezogen sind, stellt sich für die Partei die Frage: Welche Konsequenzen wird man aus alldem ziehen? Am Ende des bisher wärmsten Jahres seit Beginn der Wetteraufzeichnungen muss die Partei – und nicht zuletzt auch die Grüne ­Jugend – eine Antwort darauf finden, warum der „grüne Zeitgeist“ von einer breiten Mehrheit der Wähler als Bevormundung und Verbotskultur verstanden wird. In der For­mu­lie­rung der Antwort sollten Freiheit und Eigenverantwortung stärkere Berücksichtigung finden. Und die Wirtschaft müsste davon überzeugt werden, dass grüne Politik ihre Wettbewerbsfähigkeit nicht bedroht, sondern stärkt, wie die Partei zu wenig überzeugend argumentiert.

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Ein Horrorjahr für die hessischen Grünen geht zu Ende

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29.12.2023

Für die Grünen im Rhein-Main-Gebiet geht ein Horrorjahr zu Ende. Man darf bezweifeln, dass sich die Partei mit den Gründen für ihr Scheitern in allen Fällen schon ausreichend befasst hat – und die richtigen Konsequenzen daraus zieht. Das Jahr der Niederlagen begann in Mainz, setzte sich in Frankfurt fort, ­erreichte Darmstadt, um dann mit einem Paukenschlag im Wiesbadener Landtag zu enden. In ihrer Dimension greifbarer wird die Niederlage, wenn man schaut, mit welchen Hoffnungen die Grünen auf 2023 blicken konnten: In gleich drei großen Städten in der Region ­erschien es wahrscheinlich, fortan einen Oberbürgermeister stellen zu können. Und in Wiesbaden war Tarek Al-Wazir mit guten Gründen selbstbewusst genug, für die Landtagswahl als Kandidat für das........

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