Vorsicht an der Bahnsteigkante, bevor der Zug zur nächsten Legislaturperiode abfährt, liebe Abgeordnete von CDU, SPD und FDP im Wiesbadener Landtag. Im Streit um die Erhöhung der Zulagen führender Abgeordneter sich vor allem darauf zu kaprizieren, dass die Grünen Details aus einem Hintergrundgespräch verraten hätten, trifft die Dinge nicht so ganz: Das mag zwar ungehörig gewesen sein, vielleicht auch unklug, wer weiß.

Dass die Grünen sich aber auf die Rolle einer Oppositionspartei einstellen, die sie von Mitte Januar an nur für sie selbst überraschend schließlich auch innehaben, sollte niemanden mehr erstaunen. Wer in dem Zusammenhang das Wort „Koalitionsbruch“ liest, muss selbst dann etwas schmunzeln, wenn er ein Freund davon ist, dass in Wiesbaden im neuen Jahr auch etwas Neues ausprobiert wird.

Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was in dem wahrhaft sogenannten „Demokratiepaket“ steht, ist interessanter. Auch hier ist nicht der Punkt, dass die geplanten Regelungen noch in der Endphase der laufenden Legislaturperiode beschlossen werden sollen oder sollten, was keine besondere Ausnahme ist. Es geht um die Frage, was hier genau die Demokratie stärken soll, wenn man in das „Paket“ zunächst die nun erschrocken zurückgezogene Erhöhung von Bezügen packt, zudem aber auch Vereinbarungen, die vor allem die AfD treffen sollen. Gemeint ist damit die Partei, die die Wähler in der jüngsten Landtagswahl zur stärksten Oppositionspartei gemacht haben. Das mag man bei dieser dysfunktionalen Partei der gescheiterten Existenzen bedauern, aber man darf die Kirche dennoch im Dorf lassen.

Eine gewiss gebotene Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz ist noch lange kein Verbot. Entscheidend ist vielmehr, diese Partei nicht mit Schaufensterreden und Verfahrenstricks stellen zu wollen, sondern auf dem Weg einer intellektuell redlichen Auseinandersetzung mit den Details der Vorstellungen der AfD. Hinzu kommen sollte alsbald eine Politik, die dafür sorgt, dass die Wähler bei der nächsten Gelegenheit wieder Parteien wählen, bei denen die Verantwortung besser aufgehoben ist.

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Diese Verantwortung sollte dann aber auch übernommen werden. In viel zu vielen Diskussionen muss man derzeit dafür eintreten, dass die Menschen das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie mit Gewaltenteilung nicht verlieren. Es ist exakt dieser Punkt, der die Parteien mit Blick auf die von ihnen gesendeten Botschaften an den Wähler sensibler werden lassen sollte.

Zum Teil ist die Botschaft angekommen, wenn es nun doch nicht zur Erhöhung der Zulagen kommen soll. Aber so, wie das Thema „Demokratiepaket“ gerade in Wiesbaden gehandhabt wird, ist auch das Murks, und den kann sich unsere Demokratie nicht mehr leisten.

QOSHE - Murks aus Wiesbaden - Carsten Knop
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Murks aus Wiesbaden

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01.12.2023

Vorsicht an der Bahnsteigkante, bevor der Zug zur nächsten Legislaturperiode abfährt, liebe Abgeordnete von CDU, SPD und FDP im Wiesbadener Landtag. Im Streit um die Erhöhung der Zulagen führender Abgeordneter sich vor allem darauf zu kaprizieren, dass die Grünen Details aus einem Hintergrundgespräch verraten hätten, trifft die Dinge nicht so ganz: Das mag zwar ungehörig gewesen sein, vielleicht auch unklug, wer weiß.

Dass die Grünen sich aber auf die Rolle einer Oppositionspartei einstellen, die sie von Mitte Januar an nur für sie selbst überraschend schließlich auch innehaben, sollte niemanden mehr erstaunen. Wer in dem Zusammenhang das Wort „Koalitionsbruch“ liest, muss selbst dann etwas schmunzeln, wenn er ein........

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