Die Zahlen sind abstrakt, aber dahinter steckt viel: ein großer Bedarf an Wohnungen, Schulen, Infrastruktur, Arbeitsplätzen, um nur ein paar Stichworte zu nennen. Frankfurt wächst, Wies­baden wächst, die ganze Region wächst. Allein in Frankfurt sind nach den jüngsten Zahlen 770.166 Menschen gemeldet. Die Stadt bleibe attraktiv, so formuliert es die zuständige Dezernentin. Das stimmt, und es ist erfreulich. Gallus und Bockenheim sind die größten Stadtteile, vor allem der Zuzug von Menschen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit sorgt für das Plus. An der Spitze stehen Menschen aus Indien. Türken, Kroaten und Italiener stellen nach wie vor die größten ausländischen Bevölkerungsgruppen.

Es gibt auch Projektionen, die über den Status quo hinausweisen: Im Jahr 2045 werden nach den jüngsten Prognosen 843.000 Menschen in Frankfurt leben. Auch in Wiesbaden wird die Zahl in den nächsten Jahren weiter steigen: 2035 werden es nach den Projektionen 319.000 sein und im Jahr 2040 sogar 328.000. Aber wo sollen sie wohnen? Die Zinswende, gestiegene Baukosten und die daraus folgende Zurückhaltung der Investoren haben dazu geführt, dass die Neubautätigkeit im ganzen Land weit unter den jährlich 400.000 Wohnungen liegt, welche die Bundes­regierung im Koalitionsvertrag als Ziel formuliert hat. Die Zahl der 2023 fertiggestellten Wohnungen wird auf lediglich 240.000 geschätzt.

Das zeigt auch der Blick auf Frankfurt: Auf dem Markt für Eigentumswohnungen sind die Verkaufszahlen um ein Viertel gegenüber dem Vorjahr eingebrochen und haben den tiefsten Wert seit 2012 erreicht. Neubau aber ist unerlässlich, auch deshalb, weil die Altersstruktur in den Städten sonst nicht mehr passt. Ein Beispiel: Während heute rund 58.400 Wiesbadener im Rentenalter sind, werden es 2040 schon knapp 72.000 sein – ein Zuwachs um gut 23 Prozent. Überproportional steigt dabei die Zahl der Hochbetagten, die 85 Jahre und älter sind.

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Eine Stadt aber muss nicht nur heute attraktiv sein, sie muss es auch in den nächsten Jahrzehnten bleiben, nicht nur für die Alteingesessenen, sondern ausdrücklich für junge Familien, die es sich leisten können müssen, in ausreichend großen Wohnungen zu wohnen – und auch mit Blick auf moderne Verkehrslösung und ein lebenswertes Klima in der Stadt. Das wiederum ist ein Begriff, den man in seiner doppelten Bedeutung verstehen darf.

Der Eindruck, dass dafür zu wenig und wenn zu langsam Weichen gestellt werden, drängt sich auf. Der Wohnungsbau muss einfacher und billiger werden. Bürokratie und Vorschriften müssen viel zügiger auf ihre Berechtigung überprüft und im Zweifel abgebaut und abgeschafft werden. Die Digitalisierung muss viel schneller vorangetrieben und mehr Geld in Kinderbetreuung, Schulen und Lehrer investiert werden. Langweilig? Nein. Überfällig.

QOSHE - Schmerzen des Wachstums - Carsten Knop
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Schmerzen des Wachstums

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06.04.2024

Die Zahlen sind abstrakt, aber dahinter steckt viel: ein großer Bedarf an Wohnungen, Schulen, Infrastruktur, Arbeitsplätzen, um nur ein paar Stichworte zu nennen. Frankfurt wächst, Wies­baden wächst, die ganze Region wächst. Allein in Frankfurt sind nach den jüngsten Zahlen 770.166 Menschen gemeldet. Die Stadt bleibe attraktiv, so formuliert es die zuständige Dezernentin. Das stimmt, und es ist erfreulich. Gallus und Bockenheim sind die größten Stadtteile, vor allem der Zuzug von Menschen mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit sorgt für das Plus. An der Spitze stehen Menschen aus Indien. Türken, Kroaten und Italiener stellen nach wie vor die größten ausländischen Bevölkerungsgruppen.

Es gibt auch Projektionen, die über den Status quo........

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