Wie viele andere Branchen, so steht auch die Landwirtschaft vor der Herausforderung, sich im laufenden Betrieb für die Zukunft rüsten zu müssen. Das ist schon schwierig genug, wenn man dabei alle unternehmerischen Freiheiten genießt und beim Umbau freie Hand hat. Davon aber kann in der stark regulierten und dann auch noch erheblich subventionierten Landwirtschaft keine Rede sein.

Beide Faktoren führen in ihrer Kombination zu kaufmännischen Entscheidungen, die Bauern zum Teil sogar selbst für unsinnig halten und deshalb vielleicht nicht treffen würden, hätten sie mehr Freiheiten – und würde der Staat ein stringentes Ziel vorgeben, wohin sich die Landwirtschaft langfristig entwickeln sollte.

Planungssicherheit ist dringend erwünscht, verbunden mit einem Ausgleich für Ungleichgewichte auf dem europäischen Markt, die durch politische Eingriffe in Deutschland entstehen. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Kurzatmigkeit politischer Entscheidungen lässt sich hier sogar mit Händen greifen. Kaum verkündet, wurde auch in dem Fall, der nun die Proteste auslöst, der Plan der Regierungskoalition in Berlin schon wieder verändert. Nun will man auf die Abschaffung der Kraftfahrzeug-Steuerbefreiung für die Landwirtschaft verzichten. Die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel soll gestreckt und in mehreren Schritten vollzogen werden – das aber reicht den Bauern nicht, auch wenn es sich gar nicht mehr um riesige Geldsummen handelt.

Denn es geht jetzt ums Prinzip: Wo andernorts um Lohnerhöhungen gekämpft wird, geht es den Bauern darum, zusätzliche Belastungen abzuwehren, und wenn es „nur“ zwei- oder dreitausend Euro im Jahr sind. In Europa gibt es in der Agrarpolitik keine Einheitlichkeit, auch der hessische Bauer merkt das sofort: In Frankreich darf sogar noch billiges Heizöl in die Tanks der landwirtschaftlichen Fahrzeuge. Und hier dürfen keine männlichen Küken mehr getötet werden, also freuen sich Züchter in Ländern, in denen das noch erlaubt ist. In der Schweinezucht wartet man auf neue gesetzliche Regelungen und führt derweil Ferkel aus den Niederlanden ein, wo die Zucht freier ist. Die Bauern verstehen nicht, warum das nicht planbarer organisiert werden kann. Sie verheddern sich in Sonderregeln.

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Dringend sollte die Politik ihre Agrarpolitik besser sortieren, bis hin zu den Regelungen beim Vererben von Höfen und dem Umgang mit Ackerland. Denn langfristig wären dann alle auf einem besseren Weg – und radikale Einflüsterer von rechts hätten auch bei den Bauern keine Chance mehr.

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Wenn Bauern an Regeln ersticken

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08.01.2024

Wie viele andere Branchen, so steht auch die Landwirtschaft vor der Herausforderung, sich im laufenden Betrieb für die Zukunft rüsten zu müssen. Das ist schon schwierig genug, wenn man dabei alle unternehmerischen Freiheiten genießt und beim Umbau freie Hand hat. Davon aber kann in der stark regulierten und dann auch noch erheblich subventionierten Landwirtschaft keine Rede sein.

Beide Faktoren führen in ihrer Kombination zu kaufmännischen Entscheidungen, die Bauern zum Teil sogar selbst für unsinnig halten und deshalb vielleicht nicht treffen würden, hätten sie mehr Freiheiten – und würde der Staat ein stringentes Ziel vorgeben, wohin sich die Landwirtschaft langfristig entwickeln sollte.

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