Wer wissen will, wie sich eine lebensfeindliche Umwelt anfühlt, kann das in Dubai erleben, wo an diesem Donnerstag die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen beginnt. Weite Teile der Vereinigten Arabischen Emirate bestehen aus Wüste, im Sommer steigen die Temperaturen auf mehr als 40 Grad, Süßwasser ist selten.

Das wohlhabende Land zeigt aber auch, wie der Mensch mit solchen Herausforderungen umgehen kann. Gewissermaßen hat man hier die Anpassung an den Klimawandel schon vollzogen, die anderswo noch bevorsteht. Dem Meerwasser wird das Salz entzogen, Gemüse und Salate ­wachsen auf Nährlösungen in Gewächshäusern.

Hotels kühlen ihre Schwimmbecken, überall laufen Klimaanlagen wie in unseren Wintern die Heizungen. Das Leben findet drinnen statt, ganze Komplexe von Wolkenkratzern zum Wohnen und Arbeiten sind unterirdisch miteinander verbunden. Hier unten kann man einkaufen, essen gehen, Sport treiben, Kinderspielplätze und Kinos besuchen. Falls gewünscht, lässt sich tagelang auf frische Luft verzichten.

Das klingt dystopisch, ist für Hunderttausende Menschen aber Realität. Es könnten noch viel mehr werden, wenn die Erderwärmung aus dem Ruder läuft. Der zum Ende des Jahrhunderts erwartete Temperaturanstieg um 3 Grad gegenüber der vorindustriellen Periode heißt natürlich nicht, dass die Grönländer künftig schwitzen werden. Aber er bringt verheerende Kapriolen der Natur mit sich, welche die Lebensgrundlagen gefährden: von extremer Hitze bis zu steigenden Meeresspiegeln.

Die erstmals anberaumte Globale Bestandsaufnahme, eine Art Klima-TÜV, wird in Dubai zeigen, dass die Minderung der Treibhausgasemissionen seit der Klimakonferenz von Paris 2015 bei Weitem nicht ausreicht, um das angepeilte Zweigradziel zu schaffen, geschweige denn 1,5 Grad. Da die Emirate zu den Hauptförderländern von Öl und Gas gehören, tragen sie wesentlich zu dem Ausstoß bei. Sie wollen gegensteuern. Man investiert Milliarden in erneuerbare Energien und in „grünen“ Wasserstoff, der größte Solarpark der Welt liegt in Dubai.

Seit Jahren versuchen sich die Golfstaaten von ihren Rohstoffen zu emanzipieren, indem sie das Geschäft mit erneuerbaren Energien, mit Immobilien wie Tourismus ausbauen. Dahinter steht die Furcht, dass der fossile Reichtum endlich sein könnte. Bisher waren die Bedenken unbegründet, wegen der hohen Preise fuhren die Öl- und Gaskonzerne in aller Welt 2022 Rekordgewinne ein. Auch 2023 sieht vielversprechend aus, die USA als größte Fördernation erwarten die höchsten Mengen aller Zeiten.

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum die fossile Party weitergehen könnte. Mithilfe der Abscheidung des Kohlenstoffs und seiner anschließenden Speicherung oder Nutzung ließe sich sicherstellen, dass die herkömmlichen Energieträger ebenfalls treibhausgasneutral wären. Diese Technik ist an sich nicht neu, jetzt aber könnte sie im großen Stil um sich greifen. Die Klimakonferenz-Präsidentschaft aus den Emiraten und ihre Verbündeten bringen das politische Gewicht dafür mit, die private und staatliche Öl- und Gasindustrie das Kapital.

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Zu dieser Frage bahnt sich in Dubai ein Streit an. Auf der einen Seite stehen Kräfte wie Deutschland, die EU, eine Koalition „hochambitionierter Staaten“ sowie UN-Generalsekretär António Guterres, die das Ende der fossilen Nutzung einläuten wollen, auf der anderen die Öl- und Gasfreunde, die lediglich eine technische „Dekarbonisierung“ der Fossilen anstreben. Das kleine englische Wort „abated“ (verringert) könnte, je nach Lesart, Brücken bauen oder die Sache verwässern: Möglicherweise kommt man überein, schrittweise auf all jene karbonhaltigen Brennstoffe zu verzichten, die „unbehandelt“ oder „ungemindert“ (unabated) sind. Damit könnten auch die USA leben. Noch allerdings gibt es keine Definition, was „unabated“ umfasst.

Weiter ist man in anderen Feldern. Die Weltgemeinschaft dürfte sich darauf einigen, die Kapazitäten der Erneuerbaren bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln. Auch die Klimafinanzierung für die Entwicklungsländer von 100 Milliarden Dollar im Jahr steht endlich. Andere Geldangelegenheiten sind indes noch ungelöst, darunter Entschuldungs- und Umschuldungsfragen sowie der Umbau der multinationalen Förderbanken.

Auch welches Land wie viel und wofür in den 2022 vereinbarten Fonds für die Kompensation klimawandelbedingter Schäden einzahlt, steht in den Sternen. Die äußeren Bedingungen immerhin könnten vorteilhaft sein für die Verhandlungen der fast 200 Vertragsstaaten in den kommenden zwei Wochen: Dubai zeigt sich in diesen Tagen von seiner schönsten Seite, die Tagestemperaturen betragen nur 26 Grad. Schließlich herrscht hier Winter.

QOSHE - Die fossile Party geht weiter - Christian Geinitz
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Die fossile Party geht weiter

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30.11.2023

Wer wissen will, wie sich eine lebensfeindliche Umwelt anfühlt, kann das in Dubai erleben, wo an diesem Donnerstag die Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen beginnt. Weite Teile der Vereinigten Arabischen Emirate bestehen aus Wüste, im Sommer steigen die Temperaturen auf mehr als 40 Grad, Süßwasser ist selten.

Das wohlhabende Land zeigt aber auch, wie der Mensch mit solchen Herausforderungen umgehen kann. Gewissermaßen hat man hier die Anpassung an den Klimawandel schon vollzogen, die anderswo noch bevorsteht. Dem Meerwasser wird das Salz entzogen, Gemüse und Salate ­wachsen auf Nährlösungen in Gewächshäusern.

Hotels kühlen ihre Schwimmbecken, überall laufen Klimaanlagen wie in unseren Wintern die Heizungen. Das Leben findet drinnen statt, ganze Komplexe von Wolkenkratzern zum Wohnen und Arbeiten sind unterirdisch miteinander verbunden. Hier unten kann man einkaufen, essen gehen, Sport treiben, Kinderspielplätze und Kinos besuchen. Falls gewünscht, lässt sich tagelang auf frische Luft verzichten.

Das klingt dystopisch, ist für Hunderttausende Menschen aber Realität. Es könnten noch viel mehr werden, wenn die Erderwärmung aus dem Ruder läuft. Der zum Ende des Jahrhunderts erwartete Temperaturanstieg um 3 Grad........

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