Das Spaltpotenzial der Erklärung zum pastoralen Sinn von Segnungen, das der Vatikan vor Weihnachten unter weltweitem Aufsehen publiziert hatte, ist enorm. Was als Handreichung für die Seelsorge homosexueller Paare konzipiert war, geht in kontrollierten Detonationen nach hinten los, als weitere Diskriminierungserfahrung Betroffener und als innerkirchliche Aufmischung des Themas bis hin zum Schisma-Anlass. Immer mehr Bischofskonferenzen, durchaus nicht nur in Afrika, distanzieren sich von dem Dokument, zuletzt Ungarns Bischöfe mit dem Hinweis: Alle Menschen könnten „individuell, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung“ von Seelsorgern gesegnet werden; gemeinsame Segen für Paare in nichtehelicher Partnerschaft, worunter auch schwule Verbindungen gefasst werden, sollten allerdings stets vermieden werden.

Von kirchenpolitisch rechts wie links findet man bei den Abweichlern der römischen Vorgabe die nun nachgeschobene Erklärungserklärung des Glaubenspräfekten Víctor Fernández unverständlich, wonach Paare zu segnen nicht heiße, Verbindungen zu segnen: „Paare werden gesegnet. Die Verbindung wird nicht gesegnet.“ Welcher platonische Begriff von Paar steht hier Pate, wird gefragt. Sind Paare etwa nichts anderes als zufällig zusammen auftretende Passanten? Für den pastoralen Gebrauch im Zeichen der „Volksfrömmigkeit“ – also auf das Sinnfällige eines Paarsegens setzend, um es dann doch sprachlich zu negieren – wird ein Abstraktions-Aufwand getrieben, gegen den die gerne kolportierte Frage, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben, eine eher harmlose Gedankenübung darstellt.

Die Versuche von Fernández, nun in allen möglichen Interviews für „Klarstellungen“ seiner unklaren Erklärung zu sorgen, führen tatsächlich dazu, dass im Namen einer freien, nicht ritualisierten Segensgeste ein ums andere Mal die traditionelle Ehemoral eingeschärft wird, einschließlich der Ablehnung jedweder Form von außerehelichem Sex – was, vom Glaubenspräfekten derart prinzipiell und gerade nicht im pastoralen Kontext gelebten Lebens vorgetragen, Revisionen der Lehre in weite Ferne rücken dürfte.

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Geht es dieser Erklärung vielleicht im Kern darum, den katholischen Ehebegriff wetterfest zu machen, in einer Art paradoxen Intervention, gleichsam ohne paradoxe Intention? Paul Watzlawick hätte seine Freude daran gehabt. Oder ist hier jemand -- der Glaubenspräfekt -- von seiner eigenen Schlauheit derart ergriffen, dass er den Segen der Latenz übersieht, von der Fernández selbst in der Erklärung „fiducia supplicans“ spricht? Sollen nun alle Denkbarkeiten in eine Ausdrücklichkeit gezerrt werden, für welche die theologische Substanz des Papiers dann doch zu dünn ist?

QOSHE - Paare, Passanten - Christian Geyer
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Paare, Passanten

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28.12.2023

Das Spaltpotenzial der Erklärung zum pastoralen Sinn von Segnungen, das der Vatikan vor Weihnachten unter weltweitem Aufsehen publiziert hatte, ist enorm. Was als Handreichung für die Seelsorge homosexueller Paare konzipiert war, geht in kontrollierten Detonationen nach hinten los, als weitere Diskriminierungserfahrung Betroffener und als innerkirchliche Aufmischung des Themas bis hin zum Schisma-Anlass. Immer mehr Bischofskonferenzen, durchaus nicht nur in Afrika, distanzieren sich von dem Dokument, zuletzt Ungarns Bischöfe mit dem Hinweis: Alle Menschen könnten „individuell, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung“ von Seelsorgern gesegnet werden; gemeinsame Segen für Paare in nichtehelicher........

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