Die Fraktion der AfD hatte eine aktuelle Stunde verlangt zu dem Thema „Meinungsfreiheit an Schulen schützen. Schule als ideologiefreien Raum sicherstellen.“ Schon die Themenformulierung ist eigentümlich widersinnig. Wenn es, wie Leif-Erik Holm von der AfD am Freitag während dieser aktuellen Stunde sagte, darum geht, dass Schüler an der Schule „ihre Gedanken frei entwickeln können“, dann hat das zunächst nichts mit obrigkeitlichem „Sicherstellen“ eines ideologisch purifiziertem Lernorts zu tun.

Ideologie ist ja selbst ein schillernder Begriff, noch der 2006 verstorbene Sozialdemokrat Johannes Rau, achter Bundespräsident Deutschlands, wollte Ideologie im Sinne einer neutralen Beschreibung von Intelligibilität, von Ideenhaltigkeit welcher Coleur auch immer verstanden wissen. Im Code der sozialen Medien mit ihren anerkennungsorientierten Politiken der Gefolgschaft ist der Ideologievorwurf im Augenblick rechts besetzt.

Wer also erklärt, dieser und jener Gedanke sei „ideologisch“, gibt sich im die Dinge hindrehenden Sprachspiel der Plattformen als Rechter, Rechtsradikaler, Rechtsextremer zu erkennen, je nachdem, welche von den unscharfen Bedeutungen gerade scharf gestellt werden soll. Das ist offenkundig nicht im Sinne Raus. Und außer dem derzeitigen Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang, der es beim Reviergang auf mentale Grenzverschiebungen abgesehen hat, möchte soweit ersichtlich auch niemand sonst in Deutschland dem Bürger kontrollierend in den Kopf schauen, von der vorgesetzten Innenministerin Nancy Faser vielleicht abgesehen.

Was die AfD freilich auch am Freitag nicht begriff, ist, dass in einem Gemeinwesen nicht alles, was gedacht werden kann, auch folgenlos geäußert werden darf, da gibt es Strafbarkeitsgrenzen, und um die im Grenzfall zu ermitteln, darf ein Schulleiter auch mal die Polizei rufen. Das so lapidar festzustellen sollte laut Anna Kassautzki (SPD) erst mal reichen, wenn, wie der FDP-Grande Wolfgang Kubicki bei der aktuellen Stunde anmerkte, die AfD sich nicht zu schade ist für „parteipolitische Spiele auf dem Rücken einer 16-Jährigen“.

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Es geht um den noch ungeklärten, in immer neuen Wendungen durch die sozialen Medien getriebenen Einzelfall an einem Gymnasium in Ribnitz-Damgarten, mit dem die AfD erkennbar nur ein Ziel verfolgt: Deutschland als geknebelte Republik vorzuführen. Die demokratische Zumutung bestünde tatsächlich darin, mit der Abschätzung der Proportionen zu warten, bis die „Sachlage wirklich sauber geklärt ist“ (Kubicki). Aber ein Gefühl für Proportionen ist nicht das, womit die AfD ihre Umfragewerte steigert.

QOSHE - So macht die AfD Schule - Christian Geyer
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So macht die AfD Schule

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25.03.2024

Die Fraktion der AfD hatte eine aktuelle Stunde verlangt zu dem Thema „Meinungsfreiheit an Schulen schützen. Schule als ideologiefreien Raum sicherstellen.“ Schon die Themenformulierung ist eigentümlich widersinnig. Wenn es, wie Leif-Erik Holm von der AfD am Freitag während dieser aktuellen Stunde sagte, darum geht, dass Schüler an der Schule „ihre Gedanken frei entwickeln können“, dann hat das zunächst nichts mit obrigkeitlichem „Sicherstellen“ eines ideologisch purifiziertem Lernorts zu tun.

Ideologie ist ja selbst ein schillernder Begriff, noch der 2006 verstorbene Sozialdemokrat Johannes Rau, achter Bundespräsident Deutschlands, wollte Ideologie im Sinne einer neutralen........

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