Die Vorstöße, die Volkswagen am Freitag für den chinesischen Markt angekündigt hat, wirken auf den ersten Blick überschaubar. Schneller und kostengünstiger in China werden – dieses Ziel posaunt Europas größter Autohersteller schon seit Jahren in die Welt hinaus, während die Marktanteile in der Volksrepublik schmelzen.

Nun sollen vom Jahr 2026 an vier weitere E-Modelle kommen. Eigentlich wenig beeindruckend. Doch die Strategie dahinter deutet in die richtige Richtung. Viel zu lange hatte VW die großen Linien des Chinageschäfts aus der Wolfsburger Zentrale heraus bestimmt. Als sich der Nebel der Corona-Jahre lichtete, kam das böse Erwachen: Chinesische Start-ups rollen in der E-Mobilität rasant den Markt auf und drängen VW aus dem Geschäft.

Jetzt bekommen Ingenieure im konzerneigenen Entwicklungszentrum Hefei erstmals Entscheidungsgewalt über eine technische Plattform, die auf Konzernbaukästen basiert, aber komplett auf den chinesischen Markt zugeschnitten wird. Der Dax-Konzern lässt seine Ingenieure von der Leine.

Vieles davon ist aus der Not geboren. „In China für China“ zu entwickeln, dieses Mantra der Autobranche ist auch eine Reaktion auf Regulierung, die sich in der autoritären Volksrepublik komplett vom Westen unterscheidet. Ganze Software-Architekturen müssen separat entwickelt werden – eine milliardenschwere Last. Alternativen gibt es aber nicht. Es sei denn, VW will das Geschäft komplett den örtlichen Rivalen überlassen. Mehr Modelle müssen schnell in die Showrooms der großen Städte und auf die Straßen kommen. Der einstige Marktführer aus Deutschland braucht Sichtbarkeit, sonst geht er in China unter.

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Das wäre die schlechteste Entwicklung, auch wenn manche Politiker in Berlin wohl endgültig ihr Ziel eines wirtschaftlichen „Decouplings“ erfüllt sähen. Kein Chinageschäft, kein Problem: So einfach ist es nicht. Denn an den Milliardengewinnen, die Europas größter Autokonzern in Fernost einfährt, hängen Tausende Arbeitsplätze in Deutschland. Wird das Geschäft in China dagegen so weit wie möglich unabhängig, sinkt auch das Risiko, dem VW im Fall einer politischen Eskalation ausgesetzt ist. Die nächste Aufgabe: mehr Geschäft in Amerika, Indien und anderen Teilen der Welt aufbauen! Nur so lässt sich das Klumpenrisiko China sinnvoll reduzieren.

QOSHE - VW im China-Dilemma - Christian Müßgens
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VW im China-Dilemma

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24.11.2023

Die Vorstöße, die Volkswagen am Freitag für den chinesischen Markt angekündigt hat, wirken auf den ersten Blick überschaubar. Schneller und kostengünstiger in China werden – dieses Ziel posaunt Europas größter Autohersteller schon seit Jahren in die Welt hinaus, während die Marktanteile in der Volksrepublik schmelzen.

Nun sollen vom Jahr 2026 an vier weitere E-Modelle kommen. Eigentlich wenig beeindruckend. Doch die Strategie dahinter deutet in die richtige Richtung. Viel zu lange hatte VW die großen Linien des Chinageschäfts aus der Wolfsburger Zentrale heraus bestimmt. Als sich der Nebel der Corona-Jahre........

© Frankfurter Allgemeine


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