Vier Schüsse, vier Tore. Drei ruhende Bälle. Zwei Freistöße. Ein Elfmeter. Dieser Elfmeter von Rom, als Andreas Brehme den Ball mit dem rechten Fuß am sich streckenden Argentinier Sergio Goycochea vorbeischoss, war der Schlusspunkt eines bemerkenswerten WM-Quartetts.

Vier Jahre zuvor, am 25. Juni 1986 in Guadalajara, setzte Brehme den ersten Trumpf: Die (West-)Deutschen spielten gegen Michel Platini und seine französischen Europameister. Nach gut acht Minuten fällt Karl-Heinz Rummenigge, Freistoß aus 17 Metern. Felix Magath legte Brehme den Ball auf, der schoss mit links, der hart getretene Ball rutschte dem französischen Torhüter Joël Bats unter dem Körper durch ins Netz. Deutschland gewann 2:0.

Im Achtelfinale der Weltmeisterschaft 1990 führten die Deutschen 1:0 gegen die Niederlande, als Brehme gut fünf Minuten vor dem Ende den Ball mit dem rechten Fuß auf eine Hyperbel-Flugbahn vorbei an Torhüter Hans van Breukelen schickte. Deutschland gewann 2:1. Zehn Tage später: Halbfinale gegen England in Turin, Freistoß für Deutschland nach einer knappen Stunde, Stuart Pearce hatte Thomas Häßler gefoult.

Wie in Mexiko bekommt Brehme den Ball vorgelegt, wieder schießt er mit links, der Ball trifft den sich ihm entgegenstürzenden Engländer Paul Parker, steigt auf und fällt steil herab, hinter Torhüter Shilton, der zwei, drei Meter vor der Linie stand. Das Spiel endet 1:1, das Elfmeterschießen gewann Deutschland, 4:3. Auch dank eines Elfmeters von Brehme, den er exakt so schoss wie jenen im Finale vier Tage darauf: mit rechts, hart, flach ins untere linke Eck. Unhaltbar.

Kein anderer deutscher Fußballspieler hat in vier gewonnenen K.-o.-Spielen einer Fußballweltmeisterschaft jeweils ein Tor geschossen. Helmut Rahn gelangen 1954 und 1958 ebenfalls vier Tore, er verlor aber 1958 im Spiel um Platz drei gegen Frankreich.

Gerd Müller hat häufiger getroffen als Brehme, musste auf dem Weg ins Finale 1974 aber drei weitere Gruppenspiele, die sogenannte zweite Finalrunde, spielen. Miroslav Klose kommt auf fünf Tore in K.-o.-Spielen, allerdings in drei Turnieren zwischen 2006 und 2014. Sie alle wurden Weltmeister, ihre Namen Teil der generationenübergreifenden deutschen Fußballerzählung.

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Der Blick zurück auf die vier WM-Tore von Andreas Brehme (in den 82 weiteren Länderspielen seiner Karriere trifft er nur vier weitere Male, in WM-Gruppenspielen nie) zeigt zweierlei: die große Bedeutung von verwandelten ruhenden Bällen für die Nationalmannschaft unter Franz Beckenbauer.

Und allem voran die wesentliche Eigenschaft, ohne die ein Fußballspieler und seine Mannschaft niemals ein internationales Turnier gewinnen: den Willen, im Vertrauen auf die eigene Stärke die Verantwortung zu übernehmen. In diesem Sommer beginnt die Europameisterschaft in Deutschland. Gut möglich, dass vielen Zuschauern dann, knapp vier Monate nach der traurigen Nachricht von seinem Tod, Andreas Brehme in den Sinn kommt.

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Brehme und der ruhende Unterschied

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20.02.2024

Vier Schüsse, vier Tore. Drei ruhende Bälle. Zwei Freistöße. Ein Elfmeter. Dieser Elfmeter von Rom, als Andreas Brehme den Ball mit dem rechten Fuß am sich streckenden Argentinier Sergio Goycochea vorbeischoss, war der Schlusspunkt eines bemerkenswerten WM-Quartetts.

Vier Jahre zuvor, am 25. Juni 1986 in Guadalajara, setzte Brehme den ersten Trumpf: Die (West-)Deutschen spielten gegen Michel Platini und seine französischen Europameister. Nach gut acht Minuten fällt Karl-Heinz Rummenigge, Freistoß aus 17 Metern. Felix Magath legte Brehme den Ball auf, der schoss mit links, der hart getretene Ball rutschte dem französischen Torhüter Joël Bats unter dem Körper durch ins Netz. Deutschland gewann 2:0.

Im Achtelfinale der Weltmeisterschaft 1990 führten die Deutschen 1:0 gegen die Niederlande,........

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