Wenn sich die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im kommenden Juli in Paris, bevor dort die Sommerspiele beginnen, zu ihrer 142. Vollversammlung treffen, werden sie eines nicht tun: den Gastgeber der Winterspiele 2030 wählen. Denn seit Mittwoch steht fest, dass die Französische Republik in Paris einen olympischen Zuschlag bekommen soll, die Winterspiele 2030. Alles klar?

Mit dem Bewerber Französische Alpen, entschieden die Mitglieder der IOC-Exekutive, werde für 2030 ein „zielgerichteter Dialog“ geführt. Nur mit Frankreich für diese Spiele, nicht mit den Schweizern, nicht mit den Schweden.

So funktioniert die olympische Vergabepraxis mittlerweile: Es ist klar, wer die Spiele bekommt, auch wenn es in Regel 33 der Olympischen Charta heißt, „die Wahl eines jeden Gastgebers Olympischer Spiele ist die Prärogative der Vollversammlung“, und: „Die Wahl eines Olympiagastgebers findet in einem Land statt, das nicht für die Organisation der zu vergebenden Spiele kandidiert.“

So flexibel ist das IOC inzwischen, auch in der Auslegung seiner Charta: Seine Mitglieder werden zu Sessionstouristen, die in der französischen Hauptstadt Paris den einzigen Bewerber für die Winterspiele 2030 küren. Eine Wahl haben sie nicht.

Die Vergabe sei schließlich „keine Wahl“, wie Christophe Dubi, der Exekutivdirektor des IOC für die Spiele, am Mittwoch erklärte. Es gebe ja nur die Franzosen. Schweden und Schweizer sind aussortiert. Ebenso wird mit der Winterspielausgabe 2034 verfahren werden, für die Salt Lake City als Gastgeber vorgesehen ist. Wenn nun IOC-Mitglieder wie der deutsche Manager Michael Mronz betonen, dass diese Vorgehensweise kandidatenfreundlicher, weil Kosten senkend sei, mag das zutreffen.

Gerade beim Klimaproblemfall Winterspiele kann das Verfahren auch sachdienlicher sein. Niemand zweifelt, dass Winterspiele in den Seealpen und Savoyen funktionieren können, auch wenn zum Beispiel unklar ist, wo die Eisschnellläufer eigentlich antreten sollen. Die wichtigste Zusage ist die finanzielle Unterstützung der Ausgabe 2030 durch Sponsoren der Sommerspiele 2024.

Aus den Äußerungen Dubis und des Österreichers Karl Stoss, Chef der „Future Host Commission“ beim IOC, vom Mittwoch wird aber deutlich, was Schweizern und Schweden im Wege steht: ihre demokratischen Prozesse. Stimmen die Eidgenossen bis 2027 in einer Volksabstimmung zu, könne man über die Spiele 2038 reden.

Den Schweden empfahl Stoss mehr Unterstützung von Regierung und Bevölkerung, dann dürften sie sich gerne wieder melden. Die Franzosen aber hatten hohe Zustimmungswerte an Hand von Umfrageergebnissen belegt. Das reichte. Der Rest wird, so der Plan, in Paris abgenickt. Und das erinnert sehr stark an die politischen Praktiken der chinesischen Winterspielgastgeber des vergangenen Jahres.

Mehr zum Thema

1/

Vorentscheidung von IOC-Spitze : Olympische Winterspiele 2030 sollen in Frankreich stattfinden

Spiele 2036 in Deutschland? : Olympia geblitzdingst

Sorgen vor Olympia : Frankreich und die Kulisse für Gewalt

Wer nun erkennt, was das IOC ist – ein global agierender Entertainmentveranstalter mit Milliardenumsatz –, versteht die Flexibilität seiner Managemententscheidungen. Wer sieht, wie es sich verkauft – als pseudodemokratische Nichtregierungsorganisation mit Weltverbesserungsanspruch –, begreift, warum das IOC sein Akzeptanzproblem selbst befeuert.

QOSHE - Keine Wahl für IOC-Mitglieder - Christoph Becker
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Keine Wahl für IOC-Mitglieder

2 0
30.11.2023

Wenn sich die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im kommenden Juli in Paris, bevor dort die Sommerspiele beginnen, zu ihrer 142. Vollversammlung treffen, werden sie eines nicht tun: den Gastgeber der Winterspiele 2030 wählen. Denn seit Mittwoch steht fest, dass die Französische Republik in Paris einen olympischen Zuschlag bekommen soll, die Winterspiele 2030. Alles klar?

Mit dem Bewerber Französische Alpen, entschieden die Mitglieder der IOC-Exekutive, werde für 2030 ein „zielgerichteter Dialog“ geführt. Nur mit Frankreich für diese Spiele, nicht mit den Schweizern, nicht mit den Schweden.

So funktioniert die olympische Vergabepraxis mittlerweile: Es ist klar, wer die Spiele bekommt, auch wenn es in Regel 33 der Olympischen Charta heißt, „die Wahl eines jeden Gastgebers Olympischer Spiele ist die........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play