Das einzig Positive am Dopingskandal der russischen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa? Nein, nicht die Probe vom 25. Dezember 2021, in der das Herzmittel Trimetazidin gefunden wurde. Kamila Walijewa, die beste Eiskunstläuferin Russlands der vergangenen fünf bis zehn Jahre, die beste der Welt in diesem Zeitraum, wird im April 18 Jahre alt. Sie ist weiterhin nicht einmal volljährig. Schon deshalb verbietet sich Zynismus. Die Kräfte im Zentrum dieses Skandals aber arbeiteten mit so viel zynischer Verachtung, dass sich daran beispielhaft der missbräuchliche Umgang mit zu Höchstleistung getrimmten Kindern zeigt.

Deshalb ist die einzig positive Nachricht: Kamila Walijewa wurde durch das Internationale Sportschiedsgericht CAS für vier Jahre gesperrt, das russische Eiskunstlaufteam wird die bei den Olympischen Winterspielen in Peking gewonnene Goldmedaille verlieren (und nach Abzug von Walijewas Beitrag Bronze erhalten).

Und nun? Ist diese Sperre der Schlag gegen Kinderdoping, den die Welt-Anti-Doping-Agentur darin sieht? Sie wäre es, wenn es Antworten auf die folgenden Fragen gäbe: Wer war der Arzt, der das Kind Kamila Walijewa mit einem Cocktail gedopt hat, zu dem nicht nur das verbotene Trimetazidin gehörte, sondern auch L-Carnitin und Hypoxen? Wer verfolgt den Mediziner, wer sperrt ihn? Oder steckte kein Arzt dahinter? Wer dann? Und was bedeutet das Urteil für den Umgang mit Walijewas Trainerin Eteri Tutberidse, die in den vergangenen fünfzehn Jahren bis 2022 mehr erfolgreiche minderjährige Sprungwunder ins Hochleistungseiskunstlaufen getrieben hat als andere russische Trainingsfabriken?

Tutberidse ist die Trainerin, die in Peking, nachdem Walijewa unter dem Druck des bekannt gewordenen Positivtests in der olympischen Einzelkür zweimal gestürzt war, angeherrscht hatte: „Warum hast du alles so aus den Händen gegeben? Warum hast du aufgehört zu kämpfen? Erklär mir das!“ Sie ist die Trainerin, die wie keine andere liefert, was Kremlherr Wladimir Putin verlangt, die Fortsetzung „unserer legendären Tradition des nationalen Eiskunstlaufs“: Siege für Russland, um jeden Preis.

Was bedeutet dieses Urteil, das als ein Beweis für das fortgesetzte Doping sogar von russischen Kindern über die Entdeckung des staatlichen Dopingbetrugs nach den Winterspielen 2014 hinaus gelesen werden muss, für den Umgang mit Eiskunstläufern und -läuferinnen aus Russland? Noch sind sie durch die Internationale Eislaufunion (ISU) von Wettkämpfen ausgeschlossen aufgrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Aber das Internationale Olympische Komitee wird nach Lage der Dinge für die Winterspiele 2026 in Italien einfordern, was für die Sommersportler dieses Jahr in Paris gelten soll.

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Bühne frei dann für „individuelle neutrale“ Tutberidse-Schülerinnen, die Walijewa in Wettkämpfen in Russland bereits schlagen? Es wäre der dritte Olympiasieg nacheinander für Eteri Tutberidse. Mindestens 17 Jahre alt müssen ihre Athletinnen dann sein, das – statt des Mindestalters 15 – verlangt die ISU als Folge der Manipulation. Für einen umfassenden Schutz Minderjähriger vor Ausbeutung reicht das nicht. Allein mit der Sperre von Kamila Walijewa ist keine einzige der gestellten Fragen beantwortet. Diese bleibende Düsternis rund um ein gedoptes Kind auf der größten Bühne ihres Sports ist der Kern des Skandals.

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Siege für Russland auf Kosten von Kindern

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30.01.2024

Das einzig Positive am Dopingskandal der russischen Eiskunstläuferin Kamila Walijewa? Nein, nicht die Probe vom 25. Dezember 2021, in der das Herzmittel Trimetazidin gefunden wurde. Kamila Walijewa, die beste Eiskunstläuferin Russlands der vergangenen fünf bis zehn Jahre, die beste der Welt in diesem Zeitraum, wird im April 18 Jahre alt. Sie ist weiterhin nicht einmal volljährig. Schon deshalb verbietet sich Zynismus. Die Kräfte im Zentrum dieses Skandals aber arbeiteten mit so viel zynischer Verachtung, dass sich daran beispielhaft der missbräuchliche Umgang mit zu Höchstleistung getrimmten Kindern zeigt.

Deshalb ist die einzig positive Nachricht: Kamila Walijewa wurde durch das Internationale Sportschiedsgericht CAS für vier Jahre gesperrt, das russische Eiskunstlaufteam wird die bei den Olympischen Winterspielen in Peking gewonnene Goldmedaille verlieren (und nach Abzug von........

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