Für jene Fußballfans, die finden, dass Trainer und Taktik in den Diskussionen immer wieder überbewertet werden, spricht, dass sie einen überraschenden Fürsprecher haben. „Wir Trainer werden überschätzt“, sagte der Trainer, der so einen großen Einfluss auf das Spiel hatte und hat, dass man ihn kaum überschätzen kann: Pep Guardiola.

Er sagte das in der vergangenen Saison, in der seine Mannschaft, Manchester City, mit dem unverkennbaren Pep-Spielstil die Premier League und die Champions League dominierte. Doch wie fast immer, wenn Guardiola gewinnt, wurde in den Tagen danach eine der grundsätzlichen Fragen des Fußballs diskutiert: Was ist wichtiger – die Spieler oder der Trainer?

Wer sich für diese Diskussion inter­essiert, der sollte sich in dieser Saison die Bundesliga und speziell das Spitzenspiel in Leverkusen anschauen, weil sich dort am Samstagabend eine der neuesten und spannendsten Fallstudien auf diesem Feld beobachten ließ. Dort forderte der Tabellenzweite, der FC Bayern München, den Tabellenersten, Bayer Leverkusen.

Dort forderte die Mannschaft mit den besten Spielern die Mannschaft mit dem Trainer, der das Beste aus seinen Spielern herausholt. Und dort fand man in dem Spiel, in dem das Leverkusener Kollektiv aus dem 100-Millionen-Euro-Stürmer Harry Kane einen 18-Ballkontakte-Stürmer machte, in diesem Fall eine eindeutige Antwort auf die Frage: Denn es war nur der neueste Beleg, dass Xabi Alonso keinesfalls überschätzt werden kann.

Es ist erstaunlich, wie Alonso, der spanische Trainer, in seiner ersten vollständigen Saison in Leverkusen die Spielweise seiner Mannschaft mit den spanischen Leitprinzipien des Pass- und Positionsspiels an seine Vorstellungen angepasst hat. Er hat eine Einheit erschaffen, die das Spiel mit, aber auch ohne den Ball dominieren und kontrollieren kann.

Und das fast ohne Fußballspieler der Weltklasse. Wen, außer Florian Wirtz (der aufgrund seines Alters auch noch nicht schwankungsfrei spielt), würde man auf diese Stufe stellen? Der Mittelfeldspieler Granit Xhaka war für den FC Arsenal nicht mehr gut genug. Und so wunderbar die Außenspieler Jeremie Frimpong und Alejandro Grimaldo spielen, so dringlich sollte man immer wieder daran erinnern, dass es auch an Alonsos System liegt, dass sie so wunderbar spielen.

Im Spitzenspiel schuf Alonso nicht nur ein kleines Meisterwerk, sondern einen großen Gegensatz. Auf der einen Seite konnte man die Alonso-Mannschaft sehen, die so wirkte wie eine WG, in der man nicht nur miteinander wohnt, sondern auch kocht, putzt und lacht. Auf der anderen Seite die Tuchel-Mannschaft, die an diesem Abend an eine Zweck-WG erinnerte.

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Und als Jeremie Frimpong in der Nachspielzeit mit dem Ball über den Rasen rannte und diesen in das leere Tor schoss, war das der passende Schlussgag, weil die Bayern einem Gegner hinterherrannten, mit dem sie mithalten wollten und sollten, aber nicht mithalten konnten.

Am Beispiel Frimpong, der in diesem Spitzenspiel überraschenderweise nur eingewechselt worden war, deutete sich dann auch an, warum Xabi Alonso, der schon ein sehr guter Trainer ist, ein ganz großer Trainer werden könnte: Es ist vermutlich fast schon egal, wer in seiner Mannschaft spielt, weil die Art und Weise, wie die Mannschaft spielt, diese so besonders macht.

QOSHE - Auf den Trainer kommt es an - Christopher Meltzer
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Auf den Trainer kommt es an

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11.02.2024

Für jene Fußballfans, die finden, dass Trainer und Taktik in den Diskussionen immer wieder überbewertet werden, spricht, dass sie einen überraschenden Fürsprecher haben. „Wir Trainer werden überschätzt“, sagte der Trainer, der so einen großen Einfluss auf das Spiel hatte und hat, dass man ihn kaum überschätzen kann: Pep Guardiola.

Er sagte das in der vergangenen Saison, in der seine Mannschaft, Manchester City, mit dem unverkennbaren Pep-Spielstil die Premier League und die Champions League dominierte. Doch wie fast immer, wenn Guardiola gewinnt, wurde in den Tagen danach eine der grundsätzlichen Fragen des Fußballs diskutiert: Was ist wichtiger – die Spieler oder der Trainer?

Wer sich für diese Diskussion inter­essiert, der sollte sich in dieser Saison die Bundesliga und speziell das Spitzenspiel in Leverkusen anschauen, weil sich dort am Samstagabend eine der neuesten und........

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