Am Morgen nach der Nacht, in welcher Iran seine Drohnen und Raketen nach Israel geschickt hatte, an jenem Morgen also, an dem in Israel das Leben nur deshalb einigermaßen weiterging, weil der Staat so gut gerüstet und wehrhaft ist, was ja auch daran liegt, dass das israelische Militär genügend Erfahrung hat mit den Raketen der Hamas, die in den vergangenen Jahren auf israelische Wohngebiete immer dann abgefeuert wurden, wenn die Terroristen genügend Wasserrohre gestohlen hatten, um daraus Raketen zu bauen – am Sonntagmorgen also ging der Palästinakongress, der am Freitag verboten worden war, dann doch weiter: im Internet, wo man ihn nicht verbieten kann und nicht verbieten soll, schon weil, was da verkündet wurde, falsch und böse, hinterlistig und oft offenkundig gelogen, aber eben nicht strafbar ist.

Von Iran war nicht die Rede, nur von Israel, dem Staat, der nach Ansicht der Kongressteilnehmer völkermörderisch, rassistisch, grausam und letztlich ein illegitimes Gebilde sei.

Es waren, als am späten Freitagnachmittag die Berliner Polizei den Kongress beendete, äußerst hässliche Bilder – und auch wenn es stimmt, dass ein Verbot allein wegen der Forderung des Kongresses nach der Vernichtung des Staates Israel nicht statthaft sei; dass also erst eine Straftat geschehen musste, was der Fall war, als der mit Auftrittsverbot sanktionierte Salman Abu Sitta per Video zugeschaltet wurde: auch dann ist die Polizei, so hart und unsensibel, wie sie gegen solche Leute vorging, die außer zuzuhören nichts Böses getan hatten, gewissermaßen in die Falle der Organisatoren gelaufen.

Es stimmt ja nicht, dass man sich in Deutschland nicht für die Sache der Palästinenser einsetzen dürfte. Auf den Bildern, die sich dank X und Telegram sehr schnell verbreiteten, sah es aber genauso aus. Was den Leuten vom Kongress die Meinungsfreiheit wert ist, zeigte sich allerdings in den Statements derer, die forderten, dass all die Politiker und Journalisten, die nur einen Hauch von Verständnis für die Aktionen der israelischen Armee artikuliert haben, vor ein internationales Gericht gehörten: wegen Unterstützung des Völkermords.

Einer sagte sogar, der 7. Oktober sei der Beginn dieses Völkermordes gewesen. Was einen geradezu traurig stimmen kann, ist der Umstand, dass all die Berichte übers Leben und Sterben in Gaza natürlich das Mitgefühl herausfordern. Dass aber niemand von der Hamas spricht. Dass keiner zugeben mag, dass der Krieg nur deshalb so grausam ist, weil die Terroristen ihr eigenes Volk als Geisel und Kindergärten und Krankenhäuser als Verstecke missbrauchen.

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Dem Verbot zum Trotz

11 0
14.04.2024

Am Morgen nach der Nacht, in welcher Iran seine Drohnen und Raketen nach Israel geschickt hatte, an jenem Morgen also, an dem in Israel das Leben nur deshalb einigermaßen weiterging, weil der Staat so gut gerüstet und wehrhaft ist, was ja auch daran liegt, dass das israelische Militär genügend Erfahrung hat mit den Raketen der Hamas, die in den vergangenen Jahren auf israelische Wohngebiete immer dann abgefeuert wurden, wenn die Terroristen genügend Wasserrohre gestohlen hatten, um daraus Raketen zu bauen – am Sonntagmorgen also ging der Palästinakongress, der am Freitag verboten worden war, dann doch weiter: im Internet, wo man ihn nicht verbieten kann und nicht verbieten soll, schon weil, was da........

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