Claus Weselsky war bisher nicht gerade für seinen Einfallsreichtum bekannt. Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL erschien in seiner Unvorhersehbarkeit ziemlich kalkulierbar – die „Weselsky-Methode“ ist schon seit mehr als zehn Jahren erprobt: Zähe Tarifverhandlungen, flankiert mit überfallartigen bundesweiten Streiks sind seine Markenzeichen, wüste Beschimpfungen des Bahnmanagements und der Konkurrenzgewerkschaft EVG inklusive. So gesehen war seine Idee, jetzt der Bahn auch als konkurrierender Arbeitgeber den letzten Nerv zu rauben, eine echte Innovation.
Das Vorhaben, eine Leiharbeitsfirma „Fair Train“ in Form einer Genossenschaft zu gründen, ist schon vor langer Zeit gereift. Im vergangenen Juni hat Weselsky sie einer verdutzten Öffentlichkeit präsentiert.
Dass sich Gewerkschafter in die Untiefen des Kapitalismus begeben, hat es zwar auch früher schon gegeben. Aber so ungeniert hat noch niemand versucht, seinem Tarifpartner die Butter vom Brot zu nehmen: Unumwunden gibt Weselsky zu, dass seine Genossenschaft der Bahn die Lokführer mit der Aussicht auf höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten abspenstig machen soll, um sie postwendend wieder an den Staatskonzern auszuleihen.
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Noch ist völlig offen, ob dieser Plan aufgeht. Als Lokführer muss man schon sehr verzweifelt sein, um bei einem Arbeitgeber zu kündigen, der für dieses Land und die Mobilität seiner Bürger unersetzbar ist – bei aller berechtigten Kritik am Arbeitgeber Bahn. Es ist deshalb gut möglich, dass sich Weselsky mit dieser innovativen Idee selbst das Wasser abgräbt.
Der Warnschuss, den die Bahn jetzt mit ihrer Klage vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht abgegeben hat, dürfte beim hartgesottenen Gewerkschaftsführer zwar auf taube Ohren stoßen. Aber er könnte viele der treuen GDL-Mitglieder verschrecken, die jetzt um die Wirksamkeit von Tariferhöhungen bangen. Für alle Beteiligten wäre es deshalb wohl immer noch besser, wenn Weselsky schnell wieder zu seiner alten Form zurückfände.