Schieb Deine Verantwortung nicht weg“ – so war es im vergangenen November auf Plakaten und anderen Werbeträgern zu lesen. Mit dem Appell wollte das Bundesfamilienministerium Erwachsene dazu aufrufen, bei Anzeichen von ­sexueller Gewalt nicht wegzusehen, sondern hinzuhören und nachzufragen.

Freilich sind es nicht nur Bürger, die um dieses tabu- und schambesetzte Thema am liebsten einen Bogen machen. Politikern geht es nicht anders, ist es doch einfacher und auch erfolgversprechender, sich für neue Sozialprogramme, Aktionen „gegen rechts“ oder Zuwendungsbescheide für Sportstätten feiern zu lassen als denen eine Stimme zu geben, die oft kaum Worte haben für die Gewalt, die ihnen angetan wurde.

Trotzdem müssen sich angesichts eines steten Stroms von Berichten über Missbrauch in Familien, Vereinen oder Kirchen auch Politiker fragen lassen, worin ihre Verantwortung besteht.

Sicher, die Bundesrepublik hat mit den runden Tischen und seinen Beschlüssen zwischen 2010 und 2013 europaweit Maßstäbe gesetzt. Doch das ist mehr als zehn Jahre her, ohne dass sich die nachfolgenden Merkel-Regierungen dieses Thema zu Herzen genommen hätten.

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Die Ampel wollte es besser machen, hat aber schon viel Zeit verloren. Wiedergutzumachen ist dieses Versäumnis nicht, auch wenn es am Ende vielleicht doch schneller gehen sollte, als derzeit noch immer zu befürchten ist.

QOSHE - Nicht wegsehen - Daniel Deckers
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Nicht wegsehen

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31.01.2024

Schieb Deine Verantwortung nicht weg“ – so war es im vergangenen November auf Plakaten und anderen Werbeträgern zu lesen. Mit dem Appell wollte das Bundesfamilienministerium Erwachsene dazu aufrufen, bei Anzeichen von ­sexueller Gewalt nicht wegzusehen, sondern hinzuhören und nachzufragen.

Freilich sind es nicht nur Bürger, die um dieses tabu- und schambesetzte Thema am liebsten einen........

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