An diesem Tag ist nicht alles vorbei. Wieder haben es sich am Aschermittwoch Politiker nicht nehmen lassen, von den Fastnachtern das Wort zu übernehmen. Der „Politische Aschermittwoch“ ist ein von Parteien gern genutzter Termin, vor eigener Anhängerschaft Klartext zu reden. In der Etikettierung steckt eine Geringschätzung gegenüber den Wortmeldungen der närrischen Vortage – die in diesem Jahr besonders unangebracht erscheint.

Denn nicht nur wurde die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ mit ihrem Millionenpublikum mehr als oftmals zuvor dem Anspruch der politisch-literarischen Mainzer Fastnacht gerecht. Auch bei kleinen Sitzungen oder den oft sehr gelungenen Motivwagen bei den Straßenumzügen hat die Auseinandersetzung mit dem politischen Geschehen eine starke Rolle gespielt – selbst im sonst treu dem Kokolores verbundenen Kölner Sitzungskarneval. Die AfD wurde allerorten mit deutlichen, manchmal überdeutlichen Worten zum Feindbild erkoren. Am deftigsten brachte es Andreas Schmitt in seiner Rolle als Obermessdiener im Hohen Dom zu Mainz zum Ausdruck mit seinem Satz „Für Nazifratzen ist hier kein Platz“.

Abgrenzung darf aber nicht alles sein. Die Fastnachtsvereine, die so viele Menschen aus allen Schichten zusammenbringen, sollten sich darum kümmern, in ihren Reihen den Austausch mit jenen zu suchen, die womöglich zur Stimmabgabe für die in Teilen rechtsextreme Partei tendieren. Dann leisten sie der offenen Gesellschaft einen Dienst. Der plumpe Ausschluss eines AfD-Fraktionsvorsitzenden von der Teilnahme am Rosenmontagsumzug hingegen, geschehen bei einer Garde in Mainz, hinterlässt einen faden Beigeschmack ob solcher Sprachlosigkeit im Miteinander.

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Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) brachte am Rande der beiden Frankfurter Umzüge andere politische Gedanken ins Spiel: Er bezeichnete die Begegnung von Menschen gerade in Zeiten des Wandels als wesentliches Fundament unserer Demokratie. Josef lebt das vor, durch Nähe. Bei den Umzügen stand er beharrlich am Straßenrand und schüttelte Hände von gefühlt der Hälfte aller Mitmarschierenden. Nun verhindert der Handschlag eines Stadtoberhaupts noch nicht politische Radikalisierung. Aber Schaden können Respekt und Anstand gewiss nicht.

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Politisch schon vor Aschermittwoch

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14.02.2024

An diesem Tag ist nicht alles vorbei. Wieder haben es sich am Aschermittwoch Politiker nicht nehmen lassen, von den Fastnachtern das Wort zu übernehmen. Der „Politische Aschermittwoch“ ist ein von Parteien gern genutzter Termin, vor eigener Anhängerschaft Klartext zu reden. In der Etikettierung steckt eine Geringschätzung gegenüber den Wortmeldungen der närrischen Vortage – die in diesem Jahr besonders unangebracht erscheint.

Denn nicht nur wurde die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ mit ihrem Millionenpublikum mehr als oftmals zuvor dem Anspruch der politisch-literarischen Mainzer Fastnacht gerecht. Auch........

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