Wer meint, mit ein paar Aktien und Anleihen sei sein Vermögen breit gestreut, der irrt. Der Großteil der Vermögenswerte ist nicht börsennotiert. Das bestätigt jeder Alltagstest. Wer aus dem Fenster schaut, durch die Straßen geht oder über Land fährt, sieht Straßen, Wälder, Häuser, Felder, Brücken und Schienen. Aber fast keiner dieser Vermögenswerte kann an der Börse erworben werden. Selbst von den Unternehmen ist nur ein Bruchteil an der Börse handelbar, Tendenz fallend. Auf mehr als 20 Billionen Euro bezifferte das Statistische Bundesamt zuletzt allein den Wert der Anlagegüter für Produktionszwecke in Deutschland. Alle börsennotierten deutschen Unternehmen sind aber zusammen nur rund ein Zehntel dessen wert. Der Großteil des Produktivkapitals ist für Privatanleger gar nicht zugänglich.

Das soll sich von nächster Woche an ändern. Unter dem Kürzel ELTIF bestehen schon länger Fonds, doch nun sieht die europäische Regulierung einen deutlich einfacheren Zugang für Privatanleger vor, auch für das kleine Portemonnaie. ELTIF steht für European long-term investment fund, trägt also schon die Langfristigkeit im Namen. Das dort angelegte Geld wird also nicht täglich verfügbar sein wie bei Aktien und Anleihen. Es ist langfristig gebunden, was für Anlagen wie Wald, Infrastruktur wie Brücken und Straßen, aber auch für Immobilien und nicht börsennotierte Unternehmen durchaus sinnvoll ist.

Anders als geschlossene Fonds, die ebenfalls langfristig das Geld der Anleger gebunden haben, sieht die Regulierung für ELTIF allerdings eine gewisse Mindeststreuung der Risiken vor. Das ist sinnvoll, um das Totalausfallrisiko zu senken und Vertrauen in der Anlageklasse aufzubauen. Professionelle Großanleger erzielen schon lange als Finanzinvestoren in Unternehmen (Private Equity) und deren Finanzierung (Private Debt), aber auch in Infrastruktur teils deutlich höhere Renditen als mit Aktien und Anleihen am Kapitalmarkt. Dies ist auch eine Prämie für die Illiquidität. Denn die Vorteile des Börsenhandels von Aktien und Anleihen, die Transparenz und tägliche Liquidität, wird es bei ELTIFs in der Form nicht geben, das macht sie riskanter.

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Den Horizont als Privatanleger um die neue Anlageklasse zu weiten kann dennoch sinnvoll sein. Die neue eierlegende Wollmilchsau wird dies nicht. Nichts am Kapitalmarkt ist ohne Risiko, und gerade bei einer weniger transparenten und weniger liquiden Anlageklasse bedarf es ausführlicher Information. Angesichts des hohen Investitionsbedarfs in die Infrastruktur in vielen etwas in die Jahre gekommenen Industrieländern ist privates Kapital aber dringend nötig. Auch angesichts des Bedarfs von Nachfolgeregelungen in vielen Unternehmen ist eine private Kapitalbeteiligung ohne Börsennotiz eine gut denkbare Option. Dass diese Renditepotentiale nun Privatanlegern besser offenstehen, ist eine gute Nachricht.

QOSHE - Von den Billionenwerten der Volkswirtschaft profitieren - Daniel Mohr
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Von den Billionenwerten der Volkswirtschaft profitieren

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04.01.2024

Wer meint, mit ein paar Aktien und Anleihen sei sein Vermögen breit gestreut, der irrt. Der Großteil der Vermögenswerte ist nicht börsennotiert. Das bestätigt jeder Alltagstest. Wer aus dem Fenster schaut, durch die Straßen geht oder über Land fährt, sieht Straßen, Wälder, Häuser, Felder, Brücken und Schienen. Aber fast keiner dieser Vermögenswerte kann an der Börse erworben werden. Selbst von den Unternehmen ist nur ein Bruchteil an der Börse handelbar, Tendenz fallend. Auf mehr als 20 Billionen Euro bezifferte das Statistische Bundesamt zuletzt allein den Wert der Anlagegüter für Produktionszwecke in Deutschland. Alle börsennotierten deutschen Unternehmen sind aber zusammen nur rund ein Zehntel dessen wert. Der Großteil des Produktivkapitals ist........

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