In Frankfurt ist man gerne unsicher. Weil Berlin die Hauptstadt ist und mehr Start-ups hervorbringt, weil Hamburg weltmännischer daherkommt, weil München selbstbewusster auftritt und weil im europäischen Vergleich Städte wie London und Paris einen besseren Stand haben. Dabei hat Frankfurt jede Menge zu bieten. Vielleicht brauchte es eine Entscheidung aus Brüssel, um der Stadt das mal wieder klarzumachen. Die Wahl des Europäischen Rates und des EU-Parlaments, die Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA an den Main zu vergeben und nicht an Weltstädte wie das zweitplatzierte Madrid oder das drittplatzierte Paris, ist ein lautes Signal aus der EU-Hauptstadt, dass Frankfurt der wichtigste Finanzplatz der Europäischen Union ist. Und das ist ein echtes Pfund.

Im Bewerbungsverfahren hatten alle Bewerber gute Argumente, und es gab objektiv gesehen auch etliche, die gegen Frankfurt sprachen. Doch am Ende haben die Entscheider in Brüssel verstanden, dass es Frankfurt mit der Europäischen Zentralbank schon einmal (in deutlich größerem Ausmaß) gelungen ist, eine EU-Institution nicht nur in ihrer Stadt anzusiedeln, sondern sie und ihre Mitarbeiter auch in der gesamten Region zu integrieren. Und dass diese Nähe der AMLA zur EZB der entscheidende Vorteil im Kampf gegen Geldwäsche werden kann, was wiederum im Interesse aller Mitgliedstaaten sein sollte.

Daneben dürfte den Rats- und Fraktionsmitgliedern noch etwas anderes positiv aufgefallen sein. Frankfurt hat tatsächlich alles gegeben, bis zum Schluss, die Stadt wollte diese Behörde unbedingt. Als 2017 die Bankenaufsicht EBA nach Paris vergeben wurde, klagten im Nachgang viele Beobachter, man habe zwar das nötigste getan, mehr aber eben nicht. Das war dieses Mal anders. Bis buchstäblich zur letzten Minute haben sich Politiker und Wirtschaftsförderer untergehakt und all ihre Kontakte genutzt, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Dieser Einsatz hat sich gelohnt.

Dass mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) auch die Bundesregierung prominent eingebunden war, mag für die Bewerbung selbstverständlich sein. Doch für Frankfurt war der Einsatz Lindners ein Statement aus Berlin, dass es im Land nur einen dominierenden Finanzplatz geben kann, und der ist am Main. Umgekehrt hat Lindner wahrgenommen, wie leistungsfähig die Region als Ganzes agieren kann.

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Und noch etwas positives kann die Stadt aus dem AMLA-Entscheidung ziehen: An der Spitze der Werber für Frankfurt stand mit Mike Josef (SPD) ein Oberbürgermeister, der sich offensichtlich für die Sache ins Zeug gelegt hat und dabei ein funktionierendes Team aus der gesamten Region hinter sich versammelt hat. Das sollte als Vorbild für künftige Aufgaben und Ziele dienen, zum Beispiel im Werben um die Rückkehr der verloren gegangenen IAA.

Der Finanzplatz ist einer der tragenden Säulen des Wirtschaftsregion Rhein-Main. Er gibt Tausenden Arbeit, und er hat mit seinen Bankentürmen sogar identitätsstiftende Wirkmacht. Auch wenn es lediglich um 400 Mitarbeiter geht: Die Entscheidung, die AMLA nach Frankfurt zu geben, ist für diesen Finanzplatz ein Glücksfall und ein großer Imagegewinn, der dabei helfen sollte, in den nächsten Jahren weitere Banken und andere Finanzdienstleister, aber auch Kanzleien und Berater mitsamt all ihrer Mitarbeiter hierher zu holen. Deshalb war der Donnerstag ein guter Tag für Frankfurt. Dennoch: Alle Versprechen müssen nun eingelöst werden. Deshalb ist es richtig, was Stadträtin Stephanie Wüst (FDP) direkt nach der Vergabe sagte: Die eigentliche Arbeit beginnt erst jetzt.

QOSHE - Ein Feiertag für Frankfurt - Daniel Schleidt
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Ein Feiertag für Frankfurt

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23.02.2024

In Frankfurt ist man gerne unsicher. Weil Berlin die Hauptstadt ist und mehr Start-ups hervorbringt, weil Hamburg weltmännischer daherkommt, weil München selbstbewusster auftritt und weil im europäischen Vergleich Städte wie London und Paris einen besseren Stand haben. Dabei hat Frankfurt jede Menge zu bieten. Vielleicht brauchte es eine Entscheidung aus Brüssel, um der Stadt das mal wieder klarzumachen. Die Wahl des Europäischen Rates und des EU-Parlaments, die Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA an den Main zu vergeben und nicht an Weltstädte wie das zweitplatzierte Madrid oder das drittplatzierte Paris, ist ein lautes Signal aus der EU-Hauptstadt, dass Frankfurt der wichtigste Finanzplatz der Europäischen Union ist. Und das ist ein echtes Pfund.

Im Bewerbungsverfahren hatten alle Bewerber gute Argumente, und es gab objektiv gesehen auch etliche, die gegen Frankfurt sprachen. Doch am Ende haben die Entscheider in Brüssel verstanden, dass........

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