Alte Hüte haben das Problem, schnell in Vergessenheit zu geraten. Sie sind da, aber niemand interessiert sich so recht für sie. Dass in Hessen viele Betriebe Schwierigkeiten haben, einen Nachfolger zu finden, wenn der alte Inhaber in den verdienten Ruhestand geht, ist so ein alter Hut. Das Problem ist seit Jahren bekannt, geändert hat sich gefühlt wenig. Aber das kann sich der Wirtschaftsstandort Hessen nicht leisten.

Die Zahl von 15.000 Unternehmen, die allein in Hessen in den nächsten drei Jahren Nachfolger brauchen, um nicht vom Markt zu verschwinden, muss nachdenklich stimmen. Eine Studie der Commerzbank hat jüngst nachgewiesen, dass vier von zehn Unternehmen in Frankfurt innerhalb der nächsten zehn Jahre übergeben werden sollen. Bloß: Die wenigsten Unternehmen machen sich der Befragung zufolge Gedanken über das Thema Unternehmensübergabe.

Doch mit dem langsamen Abschied der Babyboomer-Generation in den Ru­hestand nimmt die Zahl der fälligen Übergaben zu, die der potentiellen Nachfolger aber geht zurück. Gerade im ländlichen Raum drohen viele Unternehmen einfach zu verschwinden – und mit ihnen viel Wissen und Wirtschaftskraft.

Die Gründe dafür, dass Nachfolge zum Problem wird, sind vielschichtig, der erste ist beim Unternehmer selbst zu suchen. Menschen, die über Jahrzehnte hinweg mit Schweiß und Tränen einen Betrieb aufgebaut haben, können sich oft nicht vorstellen, dass dieser ohne sie funktionieren könnte. Sie zögern die Übernahme zu lange hinaus und haben Schwierigkeiten los­zulassen. Das schreckt ab. Zudem scheitern Nachfolgeregelungen häufig am Preis. Die Inhaber erwarten für ihren Betrieb einen angemessenen Be­trag, den der Nachfolger für die Übernahme zu zahlen hat. Dabei geht es den Gründern weniger darum, das Beste herauszuholen, um sich noch mal die Taschen vollzumachen; viel wichtiger ist die Wertschätzung im Wortsinne. Niemand will sein Lebenswerk unter Wert abgeben.

Mehr zum Thema

1/

Fachkräftemangel und Nachfolge : Tausende Nachfolger gesucht

Unternehmensnachfolge : Vom Kind zum Chef

Mittelstand : Warum Unternehmen Nachfolger fehlen

Dass sich in Deutschland zu wenige Nachfolger finden, hat aber auch mit der Bildungspolitik zu tun: Dem Un­ternehmertum wird in Schulen zu wenig Bedeutung beigemessen, weshalb nur ein kleiner Teil von Schülern überhaupt auf die Idee kommt, dass die Nachfolge als Inhaber eines kleinen oder mittelständischen Betriebs für sie infrage kommen könnte. Ökonomische Bildung, Berufsorientierung und die Grundlagen des Unternehmertums müssen an Schulen dringend gestärkt werden.

Der dritte Grund ist ein gesellschaftlicher. In Deutschland hat Un­ternehmertum immer noch einen zu geringen Stellenwert. Während in anderen Ländern Gründer auch im Falle ihres Scheiterns beklatscht werden, blickt man hierzulande noch zu häufig mit Neid auf erfolgreiche und mit Häme auf gescheiterte Unternehmer. Das muss sich ändern, denn es sind die mittelständischen Betriebe, die diesem Land den Wohlstand sichern.

QOSHE - Unternehmer verdienen Applaus statt Neid und Häme - Daniel Schleidt
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Unternehmer verdienen Applaus statt Neid und Häme

8 1
18.11.2023

Alte Hüte haben das Problem, schnell in Vergessenheit zu geraten. Sie sind da, aber niemand interessiert sich so recht für sie. Dass in Hessen viele Betriebe Schwierigkeiten haben, einen Nachfolger zu finden, wenn der alte Inhaber in den verdienten Ruhestand geht, ist so ein alter Hut. Das Problem ist seit Jahren bekannt, geändert hat sich gefühlt wenig. Aber das kann sich der Wirtschaftsstandort Hessen nicht leisten.

Die Zahl von 15.000 Unternehmen, die allein in Hessen in den nächsten drei Jahren Nachfolger brauchen, um nicht vom Markt zu verschwinden, muss nachdenklich stimmen. Eine Studie der Commerzbank hat jüngst nachgewiesen, dass vier von zehn Unternehmen in Frankfurt innerhalb der nächsten zehn Jahre übergeben werden........

© Frankfurter Allgemeine


Get it on Google Play