Kaum etwas unterhält an ei­nem Arbeitstag so sehr wie die „Studien“, die irgendwelche Lobbybüros ungefragt an Journalisten schicken. Ihnen kann man die erheiterndsten Fundstücke entnehmen. Erst recht, wenn die ganze Welt in Rot leuchtet, in rot verpackten Pralinenschachteln, roten Rosen, roter Unterwäsche und allerhand Kitsch in Rot versinkt.

Die jüngste „Forschung“, die ein freundliches Anschreiben uns unterbreitet, das nur ein klitzekleines bisschen so wirkt, als habe es eine noch nicht so ganz mit menschlichen Regungen vertraute KI geschrieben, fand heraus, „wie ein Valentinstagsausflug nach Versailles ein Leben voller Glück verspricht“. Man hat schon von Leuten gehört, deren Valentinsgeschenke den Wert einer Tafel Schokolade weit überschreiten. In unserem erweiterten Bekanntenkreis gibt es Paare, die rund um den Va­lentinstag verreisen. Meist, um gemeinsam Wellness zu betreiben. Das könnte eine Alterserscheinung sein. Aber ob ausgerechnet eine Reise nach Versailles das Richtige für einen romantischen Ausflug ist, der jungen Verliebten ermöglicht, ihre Gefühle zu erkunden und älteren Paaren, ihre Flamme der Liebe neu zu nähren?

Unser letzter Besuch in Versailles liegt zwar etwas zurück, als romantisch haben wir das Schlangestehen für Zeitslots und das Geschiebe durch den Spiegelsaal nicht in Erinnerung. Ganz zu schweigen davon, dass die Wasserspiele und „Jardins Musicaux“ nicht im Februar statt­finden und es etwas frisch ist für Picknicks zu zweit. Mit einem Pappbecher heißer Schokolade von Angelina vor einem abgelassenen Wasser­becken zu zittern, könnte natürlich die Zweisamkeit enorm befördern. In etwa so, wie es Leute gibt, die das erste Date im Ikea abhalten – nach dem Motto, wer das gemeinsam aushält, hat eine reelle Chance als Paar.

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Vermutlich liegt genau darin der tiefere Sinn. In der Tat kann die „beeindruckende Architektur“ von Versailles, die laut Forschung „Geschichten von Liebe und Königtum erzählt“, auf einprägsame Weise das Liebesglück befördern. Wer nicht schon in Betrachtung der Gemächer von Marie-Antoinette kopflos wird und sich vornimmt, nie wieder Kuchen einem Brot vorzuziehen, mag sich spätestens angesichts der langen Liste von Mä­tressen, Zwangsverheiratungen, Intrigen und medizinischen Experimenten gegen die Syphilis, die aus der Geschichte von Versailles zu den Valentinsreisenden spricht, neu der Freuden einer gewissen Ereignislosigkeit in der Beziehung versichern.

Dann vielleicht doch lieber eine Tafel Schokolade mit roter Schleife? Oder eine DVD von Sacha Guitrys Historienfilm „Si Versailles m’était conté“, mit vielen Königen und noch mehr Mätressen, samt Edith Piaf, die „Ça ira“ vor dem vergoldeten Gitter schmettert? Kam vor 70 Jahren in die Kinos.

QOSHE - Reiseziel für Turteltauben - Eva-Maria Magel
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Reiseziel für Turteltauben

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14.02.2024

Kaum etwas unterhält an ei­nem Arbeitstag so sehr wie die „Studien“, die irgendwelche Lobbybüros ungefragt an Journalisten schicken. Ihnen kann man die erheiterndsten Fundstücke entnehmen. Erst recht, wenn die ganze Welt in Rot leuchtet, in rot verpackten Pralinenschachteln, roten Rosen, roter Unterwäsche und allerhand Kitsch in Rot versinkt.

Die jüngste „Forschung“, die ein freundliches Anschreiben uns unterbreitet, das nur ein klitzekleines bisschen so wirkt, als habe es eine noch nicht so ganz mit menschlichen Regungen vertraute KI geschrieben, fand heraus, „wie ein Valentinstagsausflug nach Versailles ein Leben voller Glück verspricht“. Man hat schon von Leuten gehört, deren Valentinsgeschenke den Wert einer Tafel Schokolade weit........

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