Soll man mit Vertretern der AfD nach Auschwitz reisen? In den vergangenen Tagen ist die süffisante Bemerkung zu hören gewesen: Wer, wenn nicht jemand mit einem solchen Weltbild, könne enorm lernen durch einen Besuch in Begleitung von liberalen Demokraten?

Die Debatte ist ausgelöst worden durch eine geplante Reise des Kulturausschusses der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Sie trifft einen Nerv.

Jutta Ditfurth von Ökolinx hatte im Ältestenausschuss gegen die Reise gestimmt: „Man fährt nicht mit Nazis oder Rechtsradikalen nach Auschwitz.„ Manche KZ-Gedenkstätten lehnten Führungen bei AfD-Anfragen ab. Uwe Paulsen (Die Grünen) sagte, der Kulturausschuss akzeptiere die Entscheidung jedes Einzelnen, ob er mitfahre oder nicht. Außerdem handele es sich beim Kulturausschuss nicht um eine AfD-Delegation.

Es geht in dieser Debatte zum Einen um die Frage, ob völliges Abschotten und der Rückzug auf persönliches „Zeichen setzen“ im Kampf für eine wehrhafte Demokratie auf der Basis unserer Rechtsordnung und parlamentarischen Verfasstheit eine politisch kluge Entscheidung ist. Oder ob nicht in der offenen fakten­basierten Debatte, der Konfrontation unter Nennung von Ross und Reiter, sehr viel mehr für eine stabile Demokratie zu gewinnen ist. Erst recht derzeit, auf einer Welle von Demonstrationen gegen Rechtsextremismus.

Zum anderen zeigt sich in hitzigen Diskussionen wie jener im Frankfurter Kulturausschuss, dass die Vermischung von Aktivismus und einem durch Wähler anvertrauten politischen Amt nicht zielführend sein kann.

Die Ausschussvorsitzende Mirrianne Mahn (Die Grünen), die nach eigenem Bekunden das Programm einer Bildungsreise nach Krakau samt Auschwitz-Besuch für den Ausschuss mit vorbereitet hat - laut ihren Fraktionsvorsitzenden mit einem „eindrückliches Programm zum Thema Erinnerungskultur“ - erklärt in genau diesem Ausschuss, nicht mitzufahren, wenn rechte Fraktionen vertreten seien. Das sei „eine individuelle Entscheidung, die jede Person für sich zu treffen hat“, hatte Mahn gesagt.

Nicht nur ist in der Diskussion der folgenden Tage die Unterscheidung zwischen rechts und rechtsextrem kaum gemacht worden.

Dass in der nachfolgenden Debatte viel von „Zeichen setzen“ und „gestört fühlen“ die Rede war, zeigt, dass der Frage nicht mit Aktivismus und Emotion beizukommen ist. Hat, wie es nun die Fraktion von BFF-BIG behauptet, Mahn das Gebot der Überparteilichkeit einer Ausschussvorsitzenden verletzt? Ort und Rolle für die Verkündung ihrer „persönlichen“ Entscheidung war zumindest unpassend.

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Wer aber als Ausschussvorsitzende eine solche Reise vorbereitet und sich dabei nicht vorstellen kann oder mag, dass alle demokratisch gewählten Vertreter auch teilnehmen werden, hat zumindest ein seltsames Verständnis von Demokratie und der Trennung von politischem Amt und Aktivismus.

Nun sollen die Ausschussmitglieder „persönlich“ entscheiden, ob sie in ihrem Amt mit einem Vertreter der AfD reisen wollen. Als Vertreter einer parlamentarischen Demokratie und einer gelebten Erinnerungskultur sollte das keine Frage sein.

QOSHE - Sollten Demokraten mit der AfD nach Auschwitz reisen? - Eva-Maria Magel
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Sollten Demokraten mit der AfD nach Auschwitz reisen?

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03.02.2024

Soll man mit Vertretern der AfD nach Auschwitz reisen? In den vergangenen Tagen ist die süffisante Bemerkung zu hören gewesen: Wer, wenn nicht jemand mit einem solchen Weltbild, könne enorm lernen durch einen Besuch in Begleitung von liberalen Demokraten?

Die Debatte ist ausgelöst worden durch eine geplante Reise des Kulturausschusses der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. Sie trifft einen Nerv.

Jutta Ditfurth von Ökolinx hatte im Ältestenausschuss gegen die Reise gestimmt: „Man fährt nicht mit Nazis oder Rechtsradikalen nach Auschwitz.„ Manche KZ-Gedenkstätten lehnten Führungen bei AfD-Anfragen ab. Uwe Paulsen (Die Grünen) sagte, der Kulturausschuss akzeptiere die Entscheidung jedes Einzelnen, ob er mitfahre oder nicht. Außerdem handele es sich beim Kulturausschuss nicht um eine........

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