Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) habe „das konservative Lager in Regierung und Opposition gespalten“, indem er keine Koalition mit der AfD gebildet habe. So sagte es Robert Lambrou, der Vorsitzende der hessischen AfD-Fraktion, im Landtag.

Das war eine freche Anmaßung. Zumindest Teile der Partei wollen einen anderen Staat. Das ist das genaue Gegenteil einer konservativen Haltung – auch wenn das mancher Wähler gern übersieht. Es müsste schon die freiheitlich-demokratische Grundordnung überwunden werden, bevor die Pläne realisiert werden könnten, die im November des vergangenen Jahres bei einem Treffen in der Nähe von Potsdam erörtert wurden.

Als Rhein die „Remigrations“-Phantasien in seiner Regierungserklärung aufgriff und die besondere Solidarität mit allen deutschen Staatsbürgern unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht oder Herkunft betonte, klatschten die Angehörigen der AfD-Fraktion demonstrativ in die Hände, so als wollten sie sich von dem Treffen distanzieren. Nur der Abgeordnete Andreas Lichert machte ein Ausnahme. Er klatschte nicht.

Der langjährige Repräsentant des offiziell aufgelösten Flügels ist in der hessischen AfD alles andere als eine Randfigur. Er steht gemeinsam mit Lambrou an der Spitze der Partei, bekam aber bei der Wiederwahl im vergangenen Herbst deutlich mehr Stimmen als Lambrou. Der ging im Landtag auf die scharfe Kritik an den Erörterungen bei dem Treffen vom November mit keinem Wort ein.

Seit Jahren gibt Lambrou den eher „bürgerlichen“ AfD-Typus. Jetzt erhebt er sogar noch den Anspruch, seine Partei sei konservativ. Aber zum Thema „Remigration“ fällt ihm nichts ein. Offensichtlich hätten es ihm große Teile der Fraktion übel genommen, wenn er sich von den im November erörterten Plänen distanziert hätte. Lambrou will seinen Posten an der Spitze halten. Eine Konfrontation mit Lichert kommt für ihn nicht infrage.

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Von der Regierungserklärung, dem Anlass der Debatte, war keine große Rede. Aber indem Rhein von seinem Manuskript abwich, um sich mit der AfD auseinanderzusetzen, zeigte er im entscheidenden Moment politischen Instinkt. Die Partei ist in die Defensive geraten. Angesichts der Stimmung in der Gesellschaft werden auch die nächsten Debatten konfrontativ. Aber es bietet sich jetzt die Chance, genau das zu tun, was alle immer erklärtermaßen für so wichtig halten: die AfD zu stellen.

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Die freche Anmaßung der AfD

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25.01.2024

Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) habe „das konservative Lager in Regierung und Opposition gespalten“, indem er keine Koalition mit der AfD gebildet habe. So sagte es Robert Lambrou, der Vorsitzende der hessischen AfD-Fraktion, im Landtag.

Das war eine freche Anmaßung. Zumindest Teile der Partei wollen einen anderen Staat. Das ist das genaue Gegenteil einer konservativen Haltung – auch wenn das mancher Wähler gern übersieht. Es müsste schon die freiheitlich-demokratische Grundordnung überwunden werden, bevor die Pläne realisiert werden könnten, die im November des vergangenen Jahres bei einem Treffen in der Nähe von Potsdam........

© Frankfurter Allgemeine


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