Wer wollte nach diesem SPD-Parteitag noch bezweifeln, dass es sie tatsächlich gibt: die Seele der Partei. Im Moment leidet sie. Das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der hessischen Sozialdemokratie lastet auf ihr. Dass die Partei nach einem Vierteljahrhundert in der Opposition trotzdem der Regierung angehört, ist zwar ein Trost. Aber die Begleiterscheinungen haben wehgetan.

Der Rückzug der Bundesinnenministerin von der Parteispitze war unvermeidbar. Doch noch bevor Nancy Faeser ihn offiziell bekannt geben konnte, riefen die Diadochen schon den designierten Nachfolger aus. Das gemeine Parteivolk nimmt Stilfragen wichtig.

Auch der Umgang mit dem nordhessischen Urgestein Günter Rudolph, der bei der Regierungsbildung leer ausging und sogar sein Amt an der Spitze der Fraktion verlor, behagt manchem Sozialdemokraten nicht. Der rechte Flügel der SPD wurde gestutzt. Die Parteilinke ist der Gewinner der Entwicklung. Sie hat die meisten Posten in den Ministerien ergattert und ist bei den notwendigen Personalentscheidungen mit den Verlierern anscheinend ziemlich robust umgegangen. Dass diese Vorgänge Kaweh Mansoori, dem Spiritus Rector der Linken und Vollstrecker der nötigen Neuaufstellung, nicht bekommen würden, war wohl auch ihm bewusst.

Darum verzichtete der Jurist aus Frankfurt lieber darauf, neben dem großen Wirtschaftsministerium und der Position des stellvertretenden Regierungschefs auch in der Partei nach der ganzen Macht zu greifen. Er begnügte sich mit dem Amt eines stellvertretenden Vorsitzenden – und bekam nur 68,7 Prozent. Die Seele der Partei hat Mansoori bestraft.

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Aber sein schlechtes Abschneiden wird durch das mittelmäßige Ergebnis relativiert, mit dem die Delegierten Sören Bartol zum neuen Vorsitzenden wählten. Nichts anderes ist zu erwarten, wenn eine Partei den Wählern in einem Land, das sie einst über Jahrzehnte hinweg regiert hat, nur noch 15 Prozent wert ist.

Umso mehr fällt der große Jubel auf, den die neue Generalsekretärin Josefine Koebe mit ihrer fulminanten Rede auslöste. Dass die Delegierten der Fünfunddreißigjährigen minutenlang stehend applaudierten, war nicht die übliche Routine, sondern eine spontane emotionale Reaktion. Die junge Landtagsabgeordnete hat die Seele der Partei angerührt. Sie lebt.

QOSHE - Die Seele der Partei gibt es noch - Ewald Hetrodt
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Die Seele der Partei gibt es noch

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10.03.2024

Wer wollte nach diesem SPD-Parteitag noch bezweifeln, dass es sie tatsächlich gibt: die Seele der Partei. Im Moment leidet sie. Das schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der hessischen Sozialdemokratie lastet auf ihr. Dass die Partei nach einem Vierteljahrhundert in der Opposition trotzdem der Regierung angehört, ist zwar ein Trost. Aber die Begleiterscheinungen haben wehgetan.

Der Rückzug der Bundesinnenministerin von der Parteispitze war unvermeidbar. Doch noch bevor Nancy Faeser ihn offiziell bekannt geben konnte, riefen die Diadochen schon den designierten Nachfolger aus. Das gemeine Parteivolk nimmt........

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