Ein Parteitag, eine Botschaft: Die FDP will die „Wirtschaftswende“. Die wollte sie zwar auch schon vorher, aber nun mit gesteigerter Dringlichkeit. Der Vorsitzende Christian Lindner hat seine Partei darauf eingeschworen. Sie ist voller Tatendurst, der allerdings gestillt werden muss. Die entscheidende Frage ist, ob das gelingt. Scheitert die FDP, sind entweder sie, die Regierung oder beide am Ende.

Lindner geht ein hohes Risiko ein. Doch das täte er mit jeder anderen Entscheidung auch. Diese hat den Vorzug, dass sie die Liberalen in der Art bestärkt, wie sie sich selbst sehen, als Macher, nicht als Nichtmacher. Die Koalitionäre sind sich einig, dass die Wirtschaft zügig wachsen muss. Und die FDP ist sich einig, dass dieses Ziel wie gemacht für sie ist. Sie kann vorangehen, statt sich, wie zuletzt, vor allem darüber zu profilieren, Wege der Partner zu durchkreuzen. Der Wähler belohnt nicht, dass Schlimmeres verhindert, sondern dass Besseres erreicht wurde.

Die FDP wandelt nun auf einem schmalen Grat. Einerseits darf sie nicht größenwahnsinnig erscheinen, andererseits nicht kleinlaut. Sie wird manches aufgeben müssen, was sie jetzt noch nachdrücklich fordert. Anderes muss sie durchsetzen. Gemessen wird sie am Verhältnis des einen zum anderen und daran, wie die wirtschaftliche Lage sich entwickelt. Wer ihr vorhält, mit den Grünen sei ohnehin kein Staat zu machen, wird auch durch einen Koalitionsbruch nicht glücklich werden, denn dass die Grünen danach weiter mitregieren, ist mindestens so wahrscheinlich, wie dass die FDP dabeibleibt.

Was man in einem Bündnis erreichen kann, hängt indes auch davon ab, wie man es sagt. Lindners Parteitagsrede war in einem Ton gehalten, der dies anerkennt. Sie sollte Ernsthaftigkeit in der Sache vermitteln und gerade nicht das Klein-Klein aus dem Koalitionsausschuss auf die Bühne tragen. Wenig Neues war darin, aber das ist gerade das Prinzip von Nachdruck. Spitzen gegen die Koalitionspartner verkniff Lindner sich fast vollständig – Ausnahme: Paus’ Kindergrundsicherung; er trat damit auch dem Vorwurf entgegen, dass die FDP nun wohl bis zum Ende der Koalition, wann auch immer es kommt, im Wahlkampfmodus sei.

Sie ist im Kampfmodus. Und zwar mehr als die anderen Koalitionspartner, weil es für sie ums Überleben geht. Trotzdem täte sie schlecht daran, jetzt als Erpresser der Partner aufzutreten. Es würde auch den Möglichkeiten der Kooperation in der Regierung nicht gerecht. Während in der Öffentlichkeit teilweise der Eindruck entstanden ist, SPD, Grüne und FDP kommunizierten nur noch über die Medien, reden sie tatsächlich auch miteinander.

Am Rande des Parteitages zeigten sich Bundestagsabgeordnete motiviert, Kompromisse mit ihren Fachkollegen aus den anderen Parteien auszuhandeln, Pakete zu schnüren, die für die FDP etwas aus ihrem Zwölfpunktepapier enthalten, für die anderen etwas aus deren Papieren. Manche wiesen dankbar darauf hin, dass die Grünen die zwölf FDP-Punkte öffentlich kaum kommentiert hätten; Grüne hätten ihnen erzählt, das sei eine bewusste Entscheidung gewesen. Einfach mal nichts sagen – mal sehen, was passiert.

Die SPD keilte umso mehr. Ihr Fraktionsvorsitzender Rolf Mützenich nannte die FDP-Vorschläge „ein Überbleibsel aus der Mottenkiste“, also gleich doppelt muffig. Auf dem Parteitag motzte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zurück, aus der Mottenkiste sei doch vielmehr die Art, wie in Deutschland über Wirtschaftspolitik diskutiert werde. Der Mottenkistenvorwurf klingt allerdings selbst wie tausend Jahre alt und nicht nach Fortschrittskoalition. Profitieren könnte derjenige, der als Erster wieder sachlich wird.

An anderer Stelle hat Lindner schon Signale gesetzt, die bedeuten sollen, dass er prinzipientreu, aber nicht fanatisch sei, etwa beim Thema Schuldenbremse. So beharrt er auf einer Obergrenze bei der Neuverschuldung, zeigt sich aber offen dafür, etwas zu ändern am Bereinigungsverfahren der Schuldenbremse in der Konjunktur. Das ist Teil einer Strategie, die eine Wette auf Zeit, Nerven und Durchsetzungsstärke ist. Die FDP hat sich am Wochenende dazu bekannt. Kritische Reden zum Verbleib in der Regierung ernteten kaum Applaus.

Naheliegend ist aber auch, dass die FDP ihre Haltung ändert, wenn deren Bedingungen sich ändern. Setzt sie bis zum Sommer nichts oder fast nichts aus ihrem Zwölfpunktepapier durch, steht sie schwach da. Dann könnte sie ihre Stärke anders beweisen wollen. So wie 2012, als sie die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen zu Fall brachte, weil sie deren Haushalt ablehnte. Die Liberalen standen in NRW in Umfragen damals bei zwei Prozent. Es gab Neuwahlen, die FDP plakatierte „Lieber neue Wahlen als neue Schulden“. Ihr Spitzenkandidat damals: Christian Lindner. Er erreichte 8,6 Prozent.

QOSHE - Die Wette der FDP - Friederike Haupt
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Die Wette der FDP

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28.04.2024

Ein Parteitag, eine Botschaft: Die FDP will die „Wirtschaftswende“. Die wollte sie zwar auch schon vorher, aber nun mit gesteigerter Dringlichkeit. Der Vorsitzende Christian Lindner hat seine Partei darauf eingeschworen. Sie ist voller Tatendurst, der allerdings gestillt werden muss. Die entscheidende Frage ist, ob das gelingt. Scheitert die FDP, sind entweder sie, die Regierung oder beide am Ende.

Lindner geht ein hohes Risiko ein. Doch das täte er mit jeder anderen Entscheidung auch. Diese hat den Vorzug, dass sie die Liberalen in der Art bestärkt, wie sie sich selbst sehen, als Macher, nicht als Nichtmacher. Die Koalitionäre sind sich einig, dass die Wirtschaft zügig wachsen muss. Und die FDP ist sich einig, dass dieses Ziel wie gemacht für sie ist. Sie kann vorangehen, statt sich, wie zuletzt, vor allem darüber zu profilieren, Wege der Partner zu durchkreuzen. Der Wähler belohnt nicht, dass Schlimmeres verhindert, sondern dass Besseres erreicht wurde.

Die FDP wandelt nun auf einem schmalen Grat. Einerseits darf sie nicht größenwahnsinnig erscheinen, andererseits nicht kleinlaut. Sie wird manches aufgeben müssen, was sie jetzt noch nachdrücklich fordert. Anderes muss........

© Frankfurter Allgemeine


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