Rainer Dulger vertritt als Arbeitgeberpräsident organisierte Interessen, aber er ist auch ein sorgfältig seine Worte wägender Mann. Seine sehr harte Kritik an der Bundesregierung verdient daher Aufmerksamkeit, zumal sie von zahlreichen anderen Wirtschaftsvertretern geteilt wird.

Diese Kritik ist zweifellos gerechtfertigt, aber es soll doch auch daran erinnert werden, dass sich in einer noch nicht allzu fern liegenden Vergangenheit gerade führende Repräsentanten großer Unternehmen über die Bundesregierung anerkennend äußerten – vor allem über Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, die heute besonders streng Gescholtenen.

Das war zu einer Zeit, als Unternehmen und Verbände und ihre Repräsentanten einen festen Platz am Tisch der Berliner Mächtigen besaßen, die Hilfesuchenden mit finanzieller Unterstützung zur Seite standen. Habeck hat kürzlich auf dem Weltwirtschaftsforum mit bemerkenswerter Offenheit gestanden, die Bundesregierung habe sich mit Blick auf die Sicherung des Standorts zu Subventionen veranlasst gesehen, die eigentlich nicht wirklich vertretbar gewesen seien.

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Präsident Bidens „Inflation Reduction Act“ hatte auch in Deutschland Begehrlichkeiten geweckt. Die trotz heftigen Einsatzes der Lobbys vom Bundeskanzler versagte Einführung des Industriestrompreises sorgte jedoch für eine wachsende Distanz, und nunmehr achtet die Wirtschaft angesichts der zunehmenden Desintegration der höchst unpopulären Ampel und der schwierigen Wirtschaftslage auf Distanz zur Politik.

Die Wirtschaft benennt Insuffizienzen einer Politik, die bis zu strategischen Irrtümern der Ära Merkel zurückreicht, aber eben auch Fehlentscheidungen und -urteile der Regierung Scholz umfasst. SPD und Grüne setzen unverdrossen auf die Steigerung von Sozialausgaben und schuldenfinanzierte Investitionsprogramme und verlieren darüber immer mehr die Unterstützung der Bürger und der Wirtschaft.

Das Land muss entschlackt und modernisiert werden; gegen Überregulierung und Bürokratie gilt es vorzugehen. Wer sich vorwiegend an der Schuldenbremse abarbeitet, wird scheitern.

QOSHE - Die Wirtschaft sucht Distanz - Gerald Braunberger
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Die Wirtschaft sucht Distanz

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25.01.2024

Rainer Dulger vertritt als Arbeitgeberpräsident organisierte Interessen, aber er ist auch ein sorgfältig seine Worte wägender Mann. Seine sehr harte Kritik an der Bundesregierung verdient daher Aufmerksamkeit, zumal sie von zahlreichen anderen Wirtschaftsvertretern geteilt wird.

Diese Kritik ist zweifellos gerechtfertigt, aber es soll doch auch daran erinnert werden, dass sich in einer noch nicht allzu fern liegenden Vergangenheit gerade führende Repräsentanten großer Unternehmen über die Bundesregierung anerkennend äußerten – vor allem über Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert........

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