Im Jahre 1932 konstatierte der Ökonom Walter Eucken, die Wirtschaftspolitik der damaligen Zeit „zerfällt in eine Fülle von Maßnahmen, die einzeln auf die Wünsche verschiedener wirtschaftlicher Machtgruppen zurückführbar, im ganzen keinen einheitlichen Gedanken und Willen, sondern gänzliche Systemlosigkeit verraten“. Daran könne auch „das beste Beamtentum nichts Wesentliches“ ändern. Der beständig intervenierende Staat sei nicht stark, sondern schwach, folgerte Eucken. Berlin gleicht in vielerlei Hinsicht nicht Weimar, aber der Eindruck eines schwachen Staates breitet sich auch heute aus.

Heilloser Zank über Einzelgesetze und ein konzeptionsloser Interventionismus lenken von den grundsätzlichen Gefährdungen der freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ab, mit der die Bundesrepublik ein Dreivierteljahrhundert gut gefahren ist. Welcher Staat war in der deutschen Geschichte über einen langen Zeitraum erfolgreicher? Die Gefährdungen für die freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung existieren gleichwohl.

Sie kommen von außen (worüber gerade die Münchner Sicherheitskonferenz informierte) wie von innen (wie die nicht selten hilflosen Debatten über den Umgang mit den politischen Rändern belegen). Die Feinde der offenen Gesellschaft formieren sich unter den Dächern von Nationalismus, Protektionismus und Intoleranz, und nicht wenige richten sich in Verweigerung eines zivilen Diskurses in der offenen Gesellschaft in medialen Blasen ein, in denen sie sich gegenseitig ihres Hasses auf die herkömmliche Ordnung versichern. Mehr als Düsternis hat diese Blasenwelt jedoch nicht zu bieten.

Die Anhänger einer freien Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung befinden sich in diesem Land immer noch, unbeschadet allen Lärms von den Rändern, in einer großen Mehrheit. Aber sie dürfen diese Ordnung nicht für gegeben halten; sie müssen um ihrer Attraktivität und Leistungsfähigkeit willen für eine Revitalisierung eintreten. Man braucht für die Berliner Republik nicht gleich eine „geistige Krise“ diagnostizieren, wie es Eucken für die Weimarer Republik tat. Aber viele Menschen fühlen sich in diesem Land nicht recht zu Hause.

Die Wirtschaftspolitik allein kann die Revitalisierung nicht leisten; die Ordoliberalen verstanden die liberale Wirtschaftsordnung immer nur als Bestandteil einer freiheitlichen Ordnung für das Gemeinwesen. Aber gleichwohl bleibt eine bessere Wirtschaftspolitik eine unabdingbare Voraussetzung für den Weg zu einer leistungsfähigeren Wirtschaft, die Deutschland dringend benötigt.

Wer einer Rückbesinnung auf die ordnungspolitischen Traditionen der Bundesrepublik das Wort redet, will nicht in eine häufig verklärte Vergangenheit zurückkehren. Das könnten allenfalls wirklichkeitsfremde Nostalgiker anstreben. Die Rückbesinnung auf die Grundlagen einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung dient vielmehr dazu, sich gegen die vermutlich erheblichen Herausforderungen der Zukunft zu stemmen.

Die deutsche Wirtschaft ist zweifellos besser als ihre derzeitige (Selbst-)Wahrnehmung, aber in vielen zukunftsträchtigen Sparten hat sie den Anschluss an die amerikanische Wirtschaft längst verloren. Was sie benötigt, sind nicht Subventionen mit der Gießkanne oder Lenkungsideen aus Ministerien, sondern einen Ordnungsrahmen, der den Unternehmen eine flexible Anpassung an eine sich technologisch wie geopolitisch ändernde Welt gestattet und ihnen die Gelegenheit eröffnet, mit Konkurrenten ohne erhebliche Standortnachteile zu konkurrieren.

Wer die Zukunft gewinnen will, muss auch einmal aufhören, sich selbstquälerisch oder mit dem Finger zeigend an den Merkel-Jahren abzuarbeiten. Gewiss sollte Deutschland aus den damaligen Fehlern lernen, aber diese Epoche der Geschichte ist abgeschlossen.

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Vor zehn Jahren galten die Target-Salden als die größte Gefahr für Deutschlands Wohlstand, während mit der Energiesicherheit va banque gespielt wurde und man Ausgaben für Verteidigung als weggeworfenes Geld ansah, das eigentlich für den Ausbau des Sozialstaats bereitstehen sollte. Gleichzeitig schien die deutsche Wirtschaft angesichts exorbitanter Überschüsse in der Leistungsbilanz unübertrefflich.

Was seitdem geschah, wirkt wie eine brutale Konfrontation mit einer unerfreulichen Realität. Ihr lässt sich nicht ausweichen. Nur eine an einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ausgerichtete Politik ist geeignet, die Voraussetzungen für einen gedeihlichen Umgang mit dieser neuen Welt zu gewährleisten. Dann würden auch Vergleiche von Berlin mit Weimar überflüssig.

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Mit mehr Freiheit die Zukunft gewinnen

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20.02.2024

Im Jahre 1932 konstatierte der Ökonom Walter Eucken, die Wirtschaftspolitik der damaligen Zeit „zerfällt in eine Fülle von Maßnahmen, die einzeln auf die Wünsche verschiedener wirtschaftlicher Machtgruppen zurückführbar, im ganzen keinen einheitlichen Gedanken und Willen, sondern gänzliche Systemlosigkeit verraten“. Daran könne auch „das beste Beamtentum nichts Wesentliches“ ändern. Der beständig intervenierende Staat sei nicht stark, sondern schwach, folgerte Eucken. Berlin gleicht in vielerlei Hinsicht nicht Weimar, aber der Eindruck eines schwachen Staates breitet sich auch heute aus.

Heilloser Zank über Einzelgesetze und ein konzeptionsloser Interventionismus lenken von den grundsätzlichen Gefährdungen der freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ab, mit der die Bundesrepublik ein Dreivierteljahrhundert gut gefahren ist. Welcher Staat war in der deutschen Geschichte über einen langen Zeitraum erfolgreicher? Die Gefährdungen für die freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung existieren gleichwohl.

Sie kommen von außen (worüber gerade die Münchner Sicherheitskonferenz informierte) wie von innen (wie die nicht selten hilflosen Debatten........

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