Wer sehen wollte, wie sich die CDU in den vergangenen Jahren verändert hat, musste nur den Frankfurter Kreisparteitag am Wochenende beobachten. Reihenweise traten dort junge Frauen auf die Bühne, um sich für ein Vorstandsamt zu bewerben. Und sie wurden auch gewählt. Mehr als die Hälfte der Vorstandsmitglieder ist jetzt weiblich. Vor einigen Jahren war das noch undenkbar.

In der alten CDU stellten erfolgreiche Frauen wie Petra Roth eine Ausnahme dar und wurden Posten von einem kleinen Kreis meist älterer Männer verteilt. Der Kreisvorstand ist heute nicht nur weiblicher, sondern auch deutlich jünger als in früheren Jahren. Für die CDU ist das gerade in wachsenden Großstädten wie Frankfurt, die junge und erfolgreiche Menschen anziehen, ein entscheidender Schritt, um attraktiv zu bleiben.

Eine Erfolgsgarantie für künftige Wahlen ist das aber nicht. Die CDU steht vor einem Dilemma. Sie wird überdurchschnittlich stark von Älteren gewählt. Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr war fast jeder dritte Frankfurter CDU-Wähler mindestens 70 Jahre alt. Diese Gruppe, in der häufig der Wunsch nach möglichst wenigen Veränderungen vorherrscht, darf die Partei nicht vergraulen, wenn sie sich einer jüngeren, urbanen Wählerschicht zuwendet, die sich offen für Neues zeigt.

Wie problematisch dieser Spagat sein kann, zeigt sich bei der Wohnungspolitik. Große Neubaugebiete wie im Frankfurter Nordwesten, in denen gerade für junge Menschen in der Phase der Familiengründung dringend benötigter Wohnraum bereit­gestellt werden könnte, lehnt die CDU ab – aus Rücksicht auf die meist äl­teren Bewohner in der Nachbarschaft. Die Strategie hat sich aber nicht ausgezahlt, wie nicht zuletzt die – allerdings knappe – Niederlage des CDU-Kandidaten Uwe Becker bei der jüngsten Oberbürgermeisterwahl zeigt.

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Nicht nur für den Wohnungsbau muss die CDU überzeugende Antworten finden, wenn sie den Anspruch erhebt, eine wirtschaftsstarke Stadt wie Frankfurt mitgestalten zu wollen. Das gilt auch für andere konfliktbeladene Themen wie Verkehr oder Klimaschutz. Es reicht nicht, aufzuzeigen, was Grüne und SPD mit ihren Koalitionspartnern in Frankfurt falsch machen.

Um gewählt zu werden, muss die CDU mehr tun, als zu versprechen, es besser hinzukriegen. Sie muss eigene Lösungen präsentieren. Der wiedergewählte Kreisvorsitzende Nils Kößler versucht das mit einer angenehm sachlichen Art und lässt sich nicht von den Ver­lockungen des Populismus leiten. Um mit ihren Vorschlägen durchzudringen, wird die CDU aber nicht umhinkommen, lauter und vehementer aufzutreten – auch gegen die Parteien, mit denen sie später koalieren muss.

QOSHE - Jung und weiblich reicht allein nicht - Günter Murr
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Jung und weiblich reicht allein nicht

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04.03.2024

Wer sehen wollte, wie sich die CDU in den vergangenen Jahren verändert hat, musste nur den Frankfurter Kreisparteitag am Wochenende beobachten. Reihenweise traten dort junge Frauen auf die Bühne, um sich für ein Vorstandsamt zu bewerben. Und sie wurden auch gewählt. Mehr als die Hälfte der Vorstandsmitglieder ist jetzt weiblich. Vor einigen Jahren war das noch undenkbar.

In der alten CDU stellten erfolgreiche Frauen wie Petra Roth eine Ausnahme dar und wurden Posten von einem kleinen Kreis meist älterer Männer verteilt. Der Kreisvorstand ist heute nicht nur weiblicher, sondern auch deutlich jünger als in früheren Jahren. Für die CDU ist das gerade in wachsenden Großstädten wie Frankfurt,........

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