Es klingt paradox: Die sinkende Nachfrage nach Büroflächen in Frankfurt zwingt zu Neubauten. Das ist etwas überspitzt formuliert, beschreibt aber ganz gut das, was Makler analysieren. Wenn Un­ternehmen neu mieten, dann müssen es meist Flächen sein, die den allerneuesten Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Auf dem Markt können sich praktisch nur noch Immobilien durchsetzen, die schonend mit Ressourcen umgehen und die sogenannten ESG-Kriterien erfüllen. Ohne ein ESG-Label, das auf eine EU-Vorschrift zur Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Aspekten sowie zur Unternehmensführung zurückgeht, sind Büros heute nicht nur für Mieter, sondern auch für Investoren uninteressant.

Am besten berücksichtigen lassen sich die Anforderungen bei Neubauten, auch wenn – und das ist ebenfalls paradox – dafür erst einmal ein großer Teil der Ressourcen verbraucht wird, die später wieder eingespart werden sollen. Wer auf den neuesten Standard verzichtet und in alten Büros bleibt, vermeidet damit zwar Leerstand und leistet damit auch einen ökologischen Beitrag. Ein Zertifikat oder etwas anderes Vorzeigbares gibt es dafür erst, wenn das Gebäude grundlegend modernisiert wurde. Aber auch dafür muss der Mieter ausziehen.

In einer Zeit, in der Unternehmen nicht zuletzt wegen des Trends zum Homeoffice ihre Flächen reduzieren und sich auch die Ansiedlung neuer Betriebe in Grenzen hält, haben es nicht modernisierte Bestandsgebäude zunehmend schwer. Der steigende Leerstand, der in Frankfurt mittlerweile wieder die Grenze von einer Million Quadratmeter überschritten hat, ist ein Indiz dafür. Betroffen sind meist ältere Gebäude außerhalb der zentralen Lagen.

Für sie muss eine neue Nutzung gefunden werden. Das kann teuer werden, wie das Beispiel der „Lateral Towers“ am Frankfurter Industriehof zeigt. Der einst für die Deutsche Börse gebaute Komplex wird mit einem hohen finanziellen Aufwand umgebaut, damit ihn die Stadt Frankfurt für zwei Gymnasien nutzen kann.

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Leerstand kann auch eine Chance sein

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05.01.2024

Es klingt paradox: Die sinkende Nachfrage nach Büroflächen in Frankfurt zwingt zu Neubauten. Das ist etwas überspitzt formuliert, beschreibt aber ganz gut das, was Makler analysieren. Wenn Un­ternehmen neu mieten, dann müssen es meist Flächen sein, die den allerneuesten Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Auf dem Markt können sich praktisch nur noch Immobilien durchsetzen, die schonend mit Ressourcen umgehen und die sogenannten ESG-Kriterien erfüllen. Ohne ein ESG-Label, das auf eine EU-Vorschrift zur Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Aspekten sowie zur Unternehmensführung zurückgeht, sind Büros heute nicht nur für Mieter, sondern auch für Investoren uninteressant.

Am besten........

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