Manchmal hat man den Eindruck: Geschichte wiederholt sich. 2011 beschloss Deutschland (zum zweiten Mal) den Ausstieg aus der Kernenergie, und die Fachwelt diskutierte über Kapazitätsmärkte. 2023 plant die Bundesregierung laut ihrem Koalitionsvertrag, den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen, und die Debatte geht von vorne los. Denn wenn immer mehr fossile Kraftwerke den Markt verlassen, tut sich eine Lücke in der Erzeugung sich auf.

Dabei funktioniert der Strommarkt in seiner heutigen Form. Er tut zuverlässig das, was er soll, nämlich Knappheiten anzeigen. Richtig ist, dass die Preise mit steigenden Anteilen erneuerbarer Energien viel stärker schwanken werden. Scheint die Sonne und weht viel Wind, wird Strom sehr günstig sein. Manchmal fallen die Preise sogar ins Negative, wie an Heiligabend. Ist das Wetter für die Erneuerbaren hingegen ungünstig, ist vorstellbar, dass in einzelnen Stunden mehrere Tausend Euro je Megawattstunde gezahlt werden.

Politisch sind solche Preise aber unattraktiv. Die Verlockung, in den Markt einzugreifen, wird groß – sei es über eine Steuer, die vermeintlich zu hohe Gewinne abschöpft, einen künstlich niedrig gehaltenen Preis für die energieintensive Industrie oder über Differenzverträge.

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Glaubt da noch jemand ernsthaft an Knappheitspreise und die Anfangsversprechen des „Energy-Only-Markts“? Kein Wunder, dass Investoren unter solchen Umständen nicht bereit sind, in den Neubau von Gaskraftwerken zu investieren. Wer baut jetzt Kraftwerke, wenn er damit rechnen muss, dass der Staat ihm die Gewinne im Zweifel wieder wegnimmt?

Insofern ist es verständlich, dass die Energiekonzerne darauf warten, was die Politik noch so zu bieten hat. Schon heute werden zahlreiche Kraftwerke als Reserve vorgehalten. Wird diese in Zukunft wettbewerblich organisiert, umso besser.

Wichtig wäre es, dass solche Kapazitätsmärkte technologieoffen gestaltet werden: Auch Blockheizkraftwerke oder Stromspeicher können gesicherte Leistung bereitstellen. Und es wäre sicher klug, auch die heute noch sehr unelastische Nachfrage in den Markt mit einzubeziehen und Flexibilität zu entlohnen.

QOSHE - Risse in der Strommarkt-Architektur - Hanna Decker
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Risse in der Strommarkt-Architektur

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27.12.2023

Manchmal hat man den Eindruck: Geschichte wiederholt sich. 2011 beschloss Deutschland (zum zweiten Mal) den Ausstieg aus der Kernenergie, und die Fachwelt diskutierte über Kapazitätsmärkte. 2023 plant die Bundesregierung laut ihrem Koalitionsvertrag, den Kohleausstieg „idealerweise“ auf 2030 vorzuziehen, und die Debatte geht von vorne los. Denn wenn immer mehr fossile Kraftwerke den Markt verlassen, tut sich eine Lücke in der Erzeugung sich auf.

Dabei funktioniert der Strommarkt in seiner heutigen Form. Er tut zuverlässig das, was er soll, nämlich Knappheiten anzeigen. Richtig ist, dass die........

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