Lahmt die Konjunktur, blickt die Wirtschaft schnell auf die Politik – anklagend und Hilfe fordernd. Fehler suchen auch Unternehmer und Manager nicht zuerst bei sich selbst. Jede Bundesregierung muss in der ökonomischen Flaute als Sündenbock herhalten, sofern sie lange genug im Amt ist, um Standortprobleme nicht mehr ihren Vorgängern anlasten oder mit Geld kaschieren zu können. Spätestens wenn auch die Bürger nervös werden, stellt das den Zusammenhalt einer Koalition auf die Probe und erfordert neue Antworten, am besten eine überzeugende Kurskorrektur, notfalls die Einsicht, dass es gemeinsam nicht mehr geht.

An diesem heiklen Punkt steht die Ampelkoalition, obwohl die Rezession relativ mild ist und die Bürger Preissteigerungen derweil mehr drücken als Arbeitsplatzängste. Aber erste ­Ankündigungen von Personalabbau namhafter Unternehmen, wie zuletzt SAP oder Miele, geben zu denken, stützen sie doch die Klage der Wirtschaft über wachsende Standortnachteile, die den riskanten, ehrgeizigen Klimaumbau stark erschweren. Aus Unternehmen und Verbänden schlägt der Bundesregierung offene Missstimmung in einem Maß entgegen, das selbst im Ausland aufhorchen lässt.

Vor allem dem grünen Wirtschaftsminister Habeck gilt die Kritik. Der höre bloß noch zum Schein zu, verfolge ansonsten eine planwirtschaftliche Transformation. Harte Vorwürfe von jenen, die für Habecks Krisenmanagement nach Putins Überfall auf die ­Ukraine viel Lob fanden, da es ihm gelang, den abrupten Ausstieg aus russischem Gas und Öl ohne Rationierung zu meistern.

Im pragmatischen Krisenmodus wurde Kohle verfeuert, der heilige Atomausstieg zumindest verzögert, verpöntes Flüssiggas beschafft. Inzwischen sei die Ampel auf grünen und roten Druck in den ideologischen Normalbetrieb zurückgefallen.

Das nach dem Karlsruher Schuldenurteil viel knappere Geld stecke sie weiterhin bevorzugt in neue Sozialvorhaben oder eine Industriepolitik, die per Scheckbuch lieber die Ansiedlung einzelner Chip- und Batteriefa­briken oder die Transformation großer Stahlkonzerne fördere, statt endlich bessere Angebotsbedingungen für die gesamte Wirtschaft zu schaffen.

Der Gruß der Kaufleute ist die Klage – tatsächlich muss sich die Ampel nicht jeden Schuh anziehen. Aber unbestritten trägt der global orientierte deutsche Mittelstand höhere Steuern, Lohn- und Energiekosten als seine Wettbewerber, während von den einst gepriesenen Standortvorteilen zu wenig übrig ist.

Fehlende Fachkräfte, geringe Arbeitszeiten, marode Transportnetze, ineffiziente Verwaltung – manches packt die Ampel nach wie vor nur mit spitzen Fingern und falschen Ideen. an. Zudem treiben SPD und Grüne in „Brüssel“ ungeniert ­Regulierungen voran – strenge Lieferkettenpflichten, enge Technologie­auflagen –, die den Wandel der Wirtschaft behindern.

Selbst im Haushalt 2024 weckt die Ampel die Illusion, mit wenigen Abstrichen reiche das Geld, um Investitions-, Subventions- und soziale Versprechen gleichermaßen zu erfüllen. Das sei zukunftsorientierte Politik. Wie hohl der Anspruch ist, zeigt das unkorrigierte Übergewicht der Sozialausgaben, neben denen die mühsam aufgetriebenen Mittel für Investitionen oder ein Wachstumschancengesetz kümmerlich wirken. Kein Wunder, dass SPD und Grüne die Schuldenbremse lockern wollen, um Bildung oder „Zukunftsinvestitionen“ zu finanzieren und den Sozialetat zu schützen.

In die verhärtete Debatte ist der Wirtschaftsminister mit dem über­raschenden Angebot schuldenfinanzierter Steuervergünstigungen gestoßen, samt dem Eingeständnis fehlender Wettbewerbsfähigkeit. Dass nun auch der Grüne den Befund teilt, Unternehmen seien zu stark belastet, führt aber noch nicht zu einer guten gemeinsamen Lösung.

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Während Habeck eher Steuersubventionen im Sinn hat, deren Konditionen eng an der grünen Agenda orientiert wären, verlangte die FDP in einer ersten Antwort niedrigere Unternehmensteuersätze, zumindest den Wegfall des Rest-Solis. Inzwischen hat ihr Finanzminister erkannt, dass Habecks Vorstoß die Chance zum Befreiungsschlag für die FDP bietet, ob innerhalb oder außerhalb der Ampel.

Linder verlangt von den Koalitionspartnern jetzt eine „Wirtschafts­wende“ – ein marktwirtschaftliches ­„Dynamisierungspaket“ im Haushalt 2025, das die Schuldenbremse nicht verletzt. Das ist vage, zeugt aber vom Gespür für den wirtschaftspolitischen Kurswechsel, den es braucht, um neuen Wohlstand zu ermöglichen.

In der Ampel hat bisher der rot-grüne Hang zum Interventionismus gegen die liberale Idee gewonnen, bessere Angebotsbedingungen und damit mehr Freiräume für alle Unternehmen zu schaffen durch niedrigere Steuern und flexiblere Regeln. Punkte, auf die auch die Union wieder zielt. Im Interesse des Landes muss man sich wünschen, dass der nötige marktwirtschaftliche Kurswechsel endlich kommt, ob mit oder ohne Ampel ist nicht entscheidend.

QOSHE - Es ist Zeit für einen Kurswechsel - Heike Göbel
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Es ist Zeit für einen Kurswechsel

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13.02.2024

Lahmt die Konjunktur, blickt die Wirtschaft schnell auf die Politik – anklagend und Hilfe fordernd. Fehler suchen auch Unternehmer und Manager nicht zuerst bei sich selbst. Jede Bundesregierung muss in der ökonomischen Flaute als Sündenbock herhalten, sofern sie lange genug im Amt ist, um Standortprobleme nicht mehr ihren Vorgängern anlasten oder mit Geld kaschieren zu können. Spätestens wenn auch die Bürger nervös werden, stellt das den Zusammenhalt einer Koalition auf die Probe und erfordert neue Antworten, am besten eine überzeugende Kurskorrektur, notfalls die Einsicht, dass es gemeinsam nicht mehr geht.

An diesem heiklen Punkt steht die Ampelkoalition, obwohl die Rezession relativ mild ist und die Bürger Preissteigerungen derweil mehr drücken als Arbeitsplatzängste. Aber erste ­Ankündigungen von Personalabbau namhafter Unternehmen, wie zuletzt SAP oder Miele, geben zu denken, stützen sie doch die Klage der Wirtschaft über wachsende Standortnachteile, die den riskanten, ehrgeizigen Klimaumbau stark erschweren. Aus Unternehmen und Verbänden schlägt der Bundesregierung offene Missstimmung in einem Maß entgegen, das selbst im Ausland aufhorchen lässt.

Vor allem dem grünen Wirtschaftsminister Habeck gilt die Kritik. Der höre bloß noch zum Schein zu,........

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