Mit ihrem „Nein“ zum geplanten EU-Lieferkettengesetz liefert die FDP das Richtige, wenn auch wieder einmal sehr spät. Ihr Nein sorgt dafür, dass sich Deutschland in Brüssel enthält. Offen ist aber, ob das reicht, um die unselige Richtlinie zu stoppen. Deren Vorgaben sollen Europas Unternehmen zwingen, die hohen Wert- und Moralvorstellungen der EU in ihren weltweiten Lieferketten durchzusetzen. Haftung und Vorschriften sind teils weitgehender als die seit einem Jahr gültigen deutschen Regeln, mit denen der Mittelstand sehr zu kämpfen hat.

Es stimmt: Wo bittere Armut und Korruption herrschen, ist Kinderarbeit nicht weit, bedingt fehlender Arbeitsschutz schwerste Unglücke. Das macht es den vielen westlichen Befürwortern solcher „Sorgfaltspflichtengesetze“ leicht, das Vorurteil zu bedienen, „die Wirtschaft“ nutze niedrigere Standards und Lohnkosten in ärmeren Ländern bloß ausbeuterisch. Derart unter Generalverdacht, dringen hiesige Unternehmen mit Gegenargumenten nicht durch.

Diese erschöpfen sich nicht in der berechtigten Klage über Bürokratie und Rechtsunsicherheit durch schwammige Regeln, die zum Rückzug aus schwierigen Märkten zwingen könnten, statt zu diversifizieren. Ökonomen weisen auf den Schaden hin, den Lieferkettengesetze in Entwicklungsländern anrichten. Deren Weg zu Wohlstand führt über die Eingliederung in die globale Arbeitsteilung. Sie gelingt nur, wenn Ärmere ihre Kostenvorteile ausspielen dürfen, die zunächst in günstiger Arbeitskraft und der Ausbeutung von Natur und Rohstoffen liegen. Mit wachsenden Erträgen wachsen dann allerdings auch in den benachteiligten Regionen die Chancen auf Bildung, Umweltschutz und soziale Sicherheit.

Beide Seiten gewinnen, wenn man die Möglichkeiten des Marktes nicht mit überzogenen Vorgaben und letztlich protektionistischen Hürden zerstört. Das Zerstörungspotential dieses „EU-Sorgfaltspflichtengesetzes“ überwiegt dessen etwaigen Nutzen bei Weitem. Mit ihrem „Nein“ zeigt die FDP, dass sie die Risiken erkannt hat. Möge das anderen die Augen öffnen.

QOSHE - Gegen die hohe Lieferkettenmoral - Heike Göbel
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Gegen die hohe Lieferkettenmoral

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01.02.2024

Mit ihrem „Nein“ zum geplanten EU-Lieferkettengesetz liefert die FDP das Richtige, wenn auch wieder einmal sehr spät. Ihr Nein sorgt dafür, dass sich Deutschland in Brüssel enthält. Offen ist aber, ob das reicht, um die unselige Richtlinie zu stoppen. Deren Vorgaben sollen Europas Unternehmen zwingen, die hohen Wert- und Moralvorstellungen der EU in ihren weltweiten Lieferketten durchzusetzen. Haftung und Vorschriften sind teils weitgehender als die seit einem Jahr gültigen deutschen Regeln, mit denen........

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