Im breit ausgebauten, teuren deutschen Sozialstaat brauchen neue Vorhaben besonders gute Begründungen. Aktuell gilt das noch mehr, da die Wirtschaft stottert und Russlands Aggression große Versäumnisse in der deutschen Verteidigungspolitik sichtbar gemacht hat. Trotzdem treibt die Ampelkoalition mit Kindergrundsicherung und Rentenpaket II sozialpolitische Vorhaben voran, deren Kosten und Nutzen in besonders schlechtem Verhältnis stehen. Das bedrückt die FDP, die den Finanzminister stellt. Weil sich die Freien Demokraten aber im Koalitionswort sehen, mäkeln sie nun an Gesetzentwürfen herum, deren zentrale Fehler nur durch Stopp der Vorhaben zu heilen wären.

So attackieren die Liberalen die Kindergrundsicherung bloß unter der letztlich nachrangigen Frage, ob sie für arme Familien am Ende mehr Bürokratie bringt als das bestehende System unterschiedlicher Zuständigkeiten. Das macht es der grünen Familienministerin Paus leicht, die Kritik zu kontern. Sie korrigiert die eingeplanten 5000 neuen Stellen einfach nach unten. Wer soll ihr heute beweisen, welche Zahl stimmt?

Über den Streit um Bürokratie und Personal gerät aus dem Blick, dass armen Kindern mit den eingeplanten rund 2,4 Milliarden Euro, die in den Folgejahren dynamisch steigen, gar nicht zielgenau geholfen wird. Zuletzt ist die Zahl armer Familien vor allem durch Fluchtmigration gewachsen. Da wäre das knappe Geld aus Sicht vieler Ökonomen und selbst einiger Armutsforscher besser angelegt im Ausbau integrationsfördernder Kitas und Schulen. Wo bleibt der Aufschrei der FDP-Bildungsministerin?

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Auch in der Rente eiert die FDP. Um ihre Aktienrente zu retten, hat sie der Sicherung eines Mindestrentenniveaus von 48 Prozent zugestimmt, die der SPD am Herzen liegt. Nun moniert sie die fehlende Generationengerechtigkeit des Rentenpakets II, das unter dem Strich Jüngere erheblich zusätzlich belasten wird. Zugleich gesteht sie ein, dass der teure Plan Altersarmut nicht gezielt abbaut. Doch ihre Reparaturvorschläge – wie Abschaffung der Rente mit 63 – sind unzureichend, selbst wenn SPD und Grüne zustimmen sollten. Verhilft die FDP einer derart verfehlten Sozialpolitik selbst jetzt noch durchs Parlament, bleibt auch ihre finanzpolitische Glaubwürdigkeit auf der Strecke.

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Sozialpolitisch in der Falle

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08.04.2024

Im breit ausgebauten, teuren deutschen Sozialstaat brauchen neue Vorhaben besonders gute Begründungen. Aktuell gilt das noch mehr, da die Wirtschaft stottert und Russlands Aggression große Versäumnisse in der deutschen Verteidigungspolitik sichtbar gemacht hat. Trotzdem treibt die Ampelkoalition mit Kindergrundsicherung und Rentenpaket II sozialpolitische Vorhaben voran, deren Kosten und Nutzen in besonders schlechtem Verhältnis stehen. Das bedrückt die FDP, die den Finanzminister stellt. Weil sich die Freien Demokraten aber im Koalitionswort sehen, mäkeln sie nun an Gesetzentwürfen herum, deren zentrale........

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