Gute Absicht macht noch keine gute Politik. Das bestätigt der Kompromiss für ein Lieferkettengesetz, auf den sich die EU-Mitgliedstaaten mit dem EU-Parlament ge­einigt haben. Er verpflichtet Unternehmen strafbewehrt dazu, bis ins letzte Glied ihrer globalen Lieferketten sehr hohe Wertvorstellungen der EU durchzusetzen.

Die geplante Richt­linie geht dabei noch über die in Deutschland geltenden „Sorgfaltspflichten“ hinaus, deren Einhaltung viele Unternehmen auch nach einem Jahr vor Rätsel stellt. Denn der deutsche Gesetzgeber macht – wie nun auch der europäische – keine klar umrissenen Vorgaben. Das erleichtert zwar die politische Konsensfindung, zwingt Unternehmen aber, in juristischen Grauzonen zu wirtschaften.

Kinderarbeit auszuschließen ist relativ einfach. Aber wo menschenrechtswidrige Ausbeutung ansonsten beginnt und endet, wird in wohlhabenden Ländern anders beurteilt als in armen, ebenso Fragen des Umweltschutzes. Weder das deutsche noch das EU-Gesetz legen geforderte Standards präzise fest.

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Wer Lieferketten halbwegs rechtssicher gestalten und sich vor empfindlichen Strafen schützen will, muss dafür Mitarbeiter beschäftigen oder Berater verpflichten. Das trifft nicht nur Konzerne, wie die Schwellenwerte suggerieren. Um sich zu schützen, verlangen die direkt unter die Gesetze fallenden Unternehmen von ihren Lieferanten Sicherheitserklärungen oder schließen risikobehaftete Regionen aus. Dies verhindert die stärkere Diversifizierung der Lieferanten, die politisch seit Pandemie und Putin-Schock gepredigt wird.

Solcherart „sauber“ gekehrte Lieferketten gefährden die Existenz von Menschen unterentwickelter Länder, denen kein Sozialstaat hilft. Wie Europas Unternehmen mit dem hausgemachten neuen Standortrisiko aus „Brüssel“ fertigwerden, wird sich zeigen. Schon länger überzeugt die EU nicht mehr mit ihrer wirtschaftlichen Dynamik und Innovationskraft. Einfallsreich ist ihre Politik (stets im engen Zusammenspiel mit Berlin und Paris) darin, Unternehmen mit immer tiefer greifenden Vorschriften zu überziehen, vom Ökodesign über den Datenschutz zur Plattformregulierung. Subventionen müssen dann die Folgen lindern. Das EU-Lieferkettengesetz passt nicht in die Zeit. Es noch zu stoppen wäre richtig.

QOSHE - Standortrisiko „Brüssel“ - Heike Göbel
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Standortrisiko „Brüssel“

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15.12.2023

Gute Absicht macht noch keine gute Politik. Das bestätigt der Kompromiss für ein Lieferkettengesetz, auf den sich die EU-Mitgliedstaaten mit dem EU-Parlament ge­einigt haben. Er verpflichtet Unternehmen strafbewehrt dazu, bis ins letzte Glied ihrer globalen Lieferketten sehr hohe Wertvorstellungen der EU durchzusetzen.

Die geplante Richt­linie geht dabei noch über die in Deutschland geltenden „Sorgfaltspflichten“ hinaus, deren Einhaltung viele Unternehmen auch nach einem Jahr vor Rätsel stellt. Denn der deutsche Gesetzgeber macht – wie nun auch der europäische – keine klar umrissenen Vorgaben. Das........

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