Es läuft nicht in der EU-Handelspolitik. Eben erst sind die Verhandlungen mit Australien gescheitert, nun trifft es die Gespräche mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Wenige Meter vor der Ziellinie legen beide Seiten eine Vollbremsung hin. Dabei war alles vorbereitet für die finale Verhandlungsrunde auf dem Mercosur-Gipfel in Rio de Janeiro am Donnerstag. Kommissionspräsidentin Ursula von der ­Leyen wäre angereist, um den Erfolg zu verkünden. Daraus aber wird nichts.

Da mögen die (Zweck-)Optimisten in der Europäischen Kommission noch so betonen, dass bis Donnerstag noch Zeit ist. Die Flüge sind gecancelt. Selbst das Verhandlungsteam der EU bleibt in Brüssel.

Das Mercosur-Abkommen droht so im viel zitierten Eisschrank zu landen. Spanien, das mit Hochdruck auf die Einigung hingearbeitet hat, übergibt die EU-Ratspräsidentschaft Ende Dezember an Belgien. Das Land gilt nicht als Kämpfer für den Freihandel. Zugleich übernimmt Paraguay nach dem Gipfel die Mercosur-Präsidentschaft vom Schwergewicht Brasilien.

Vor allem aber rücken die Europawahlen im Juni näher. Angesichts des vereinten Widerstands von Bauernlobby und Klimaschützern gegen das Abkommen macht das einen Durchbruch politisch schwierig, wenn nicht unmöglich. Der französische Präsident Emmanuel Macron dringt schon darauf, das Abkommen vor den Wahlen gar nicht mehr anzufassen.

Die Schuld dafür den Südamerikanern zu geben ist ebenso falsch wie scheinheilig. Vordergründig mag die unübersichtliche Lage in Argentinien nach der Wahl des „Anarchokapitalisten“ Javier Milei zum Präsidenten Anlass für den derzeitigen Stillstand sein. Ohne die Extraforderungen der EU nach dem Schutz von Regenwald und hiesigen Bauern aber könnte das Mercosur-Abkommen längst in trockenen Tüchern sein.

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Scheinheilige EU-Handelspolitik

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04.12.2023

Es läuft nicht in der EU-Handelspolitik. Eben erst sind die Verhandlungen mit Australien gescheitert, nun trifft es die Gespräche mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Wenige Meter vor der Ziellinie legen beide Seiten eine Vollbremsung hin. Dabei war alles vorbereitet für die finale Verhandlungsrunde auf dem Mercosur-Gipfel in Rio de Janeiro am Donnerstag. Kommissionspräsidentin Ursula von der ­Leyen wäre angereist, um den Erfolg zu verkünden. Daraus aber wird nichts.

Da mögen die (Zweck-)Optimisten in der Europäischen Kommission noch so betonen, dass bis Donnerstag noch Zeit ist. Die........

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