Sie stehen in der zweiten Reihe und blockieren die Fahrbahn, parken auf dem Radweg oder dem Bürgersteig. Mit Warnblinker, der offenbar zu einer Selbsterlaubnis für rechtswidrige Verhaltensweisen geworden ist, der Fahrer will ja nur rasch zum Bäcker oder in den Barber Shop. Wer sich beschwert, riskiert eine mindestens verbal aggressive Auseinandersetzung. Hier endet vieles Verständnis, und es staut sich etwas auf. Nicht nur gegen die Rücksichtslosigkeit anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber, auch gegen das Auto an sich. Und das SUV im Speziellen.

Warum gegen diese Fahrzeuggattung, lässt sich rational schwer erklären, emotional bietet sie im wahren Sinne des Wortes die größte Angriffsfläche. Schnell fallen Begriffe wie Stadtpanzer oder Hass, die angesichts wirklich leidbringender Frontverläufe hier nichts zu suchen haben. Sie sind Ausdruck einer Schwarz-Weiß-Argumentation, die sich Polarisierung zunutze macht, und eine belehrende Haltung, die Verbote nur dann gut findet, wenn man selbst nicht betroffen ist.

Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, führt das gerade par excellence vor. Sie lässt nichts unversucht, das Automobil zu verteufeln und aus Frankreichs Hauptstadt zu vertreiben, selbst auf nichts anderes als einen kleinen elektrischen Renault Zoé angewiesen und auf Reisen natürlich das Flugzeug nutzend. Umweltschutz, Raumanspruch, Gewicht hat sie für eine Bürgerabstimmung gegen das SUV ins Feld geführt. Nicht mal sechs Prozent der Pariser haben votiert, aus dieser Gruppe heraus gab es eine knappe Mehrheit für eine prohibitive Erhöhung der Parkgebühren für solche Fahrzeuge. Hidalgo folgert daraus einen großen Erfolg gegen das SUV und für die Demokratie. Angesichts des Quorums ist die Einschätzung womöglich etwas gewagt, ganz sicher geht der verzweifelte Akt am Kernproblem vorbei und führt nur zu neuen Schwierigkeiten.

Das weiß die Bürgermeisterin wohl, denn schon sind Ausnahmen geplant. Für Handwerker, Lieferanten, Menschen mit Behinderung. Überhaupt soll die Maßregelung allein für Besucher von auswärts gelten. Hidalgos Zoé wiegt wegen seines schweren Akkus übrigens mehr als ein benzinbetriebener Renault Captur oder Peugeot 2008, die gemeinhin als SUV eingestuft werden. So rasch gerät Ideologie auf die schiefe Ebene. Im Französischen gibt es ein Bonmot: C’est l’hôpital qui se moque de la charité, ein bisschen frei übersetzt: Wer im Rathaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Was kommt als Nächstes? Eine Initiative gegen Radfahrer, weil die an keiner roten Ampel mehr anhalten? Gegen Lastenräder im Besonderen, wegen Platzanspruch, Ressourcenverbrauch, und, rambohaft bewegt, erhöhter Unfallgefahr?

Es wird nicht lange dauern, da werden hierzulande Nachahmer aufstehen. Ihnen wie der Pariser Bürgermeisterin sei ein Besuch in Boulo­gne-Billancourt empfohlen. Dort sitzt Renault. Der Vorstandsvorsitzende Luca De Meo könnte seiner Landsfrau erklären, wie der Konzern wegen margenschwacher Kleinwagen an den Abgrund geraten ist. Seit er SUV baut, hat er wieder stabilen Boden unter den Rädern. Politik lässt sich schwerlich im freien Raum gestalten, wer im Amt von Steuern oder in Organisationen von Zuschüssen lebt, wird Unternehmer und Arbeiter brauchen, die sie erwirtschaften. Es gibt zumeist auch eine wirtschaftliche Komponente. Die ist im Falle das Fahrzeugmarktes eindeutig.

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1994 stellte Toyota Fachjournalisten den RAV 4 vor, eine ungezwungene Präsentation am Lagerfeuer. Es war die Geburtsstunde des SUV, das sich vom Geländewagen mit seinen Starrachsen durch alltagsfreundliche Fahrbarkeit abhob. Heute entfallen rund 30 Prozent der Neuzulassungen in Deutschland auf SUV, Tendenz seit Jahren stetig steigend und mittlerweile das stärkste Segment. Zusammen mit den oft von Förstern oder Pferdebesitzern gefahrenen echten Geländewagen sind 41 Prozent aller neuen Autos Hochbeiner.

Abgesehen von, auch wegen der Hinwendung zum elektrischen Antrieb, ein paar adipösen Auswüchsen, ist das SUV die moderne, attraktiver aussehende Form des vom Markt verschwundenen Minivans. Es transportiert Kind und Kegel, ist praktisch, bequem zum Ein- und Aussteigen, bietet gute Übersicht und gibt ein schönes Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit. Natürlich haben Kleinwagen und Limousinen ihre Trümpfe, aber die Argumente für das SUV verfangen unter vielen Käufern.

Die Kundschaft umerziehen zu wollen, sei es im Heizungskeller oder auf der Straße, führt in die Sackgasse. Es ist wieder Zeit für Vertrauen in Markt und Technik, für Ungezwungenheit, für konstruktive Ideen eines besseren Zusammenlebens in der Enge der Stadt. Auch für mehr Rücksichtnahme. Sonst sind am Ende alle gegeneinander aufgewiegelt und unzufrieden. Wo soll das hinführen?

QOSHE - SUV-Fahrer bitte nicht umerziehen - Holger Appel
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SUV-Fahrer bitte nicht umerziehen

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05.02.2024

Sie stehen in der zweiten Reihe und blockieren die Fahrbahn, parken auf dem Radweg oder dem Bürgersteig. Mit Warnblinker, der offenbar zu einer Selbsterlaubnis für rechtswidrige Verhaltensweisen geworden ist, der Fahrer will ja nur rasch zum Bäcker oder in den Barber Shop. Wer sich beschwert, riskiert eine mindestens verbal aggressive Auseinandersetzung. Hier endet vieles Verständnis, und es staut sich etwas auf. Nicht nur gegen die Rücksichtslosigkeit anderen Verkehrsteilnehmern gegenüber, auch gegen das Auto an sich. Und das SUV im Speziellen.

Warum gegen diese Fahrzeuggattung, lässt sich rational schwer erklären, emotional bietet sie im wahren Sinne des Wortes die größte Angriffsfläche. Schnell fallen Begriffe wie Stadtpanzer oder Hass, die angesichts wirklich leidbringender Frontverläufe hier nichts zu suchen haben. Sie sind Ausdruck einer Schwarz-Weiß-Argumentation, die sich Polarisierung zunutze macht, und eine belehrende Haltung, die Verbote nur dann gut findet, wenn man selbst nicht betroffen ist.

Anne Hidalgo, Bürgermeisterin von Paris, führt das gerade par excellence vor. Sie lässt nichts unversucht, das Automobil zu verteufeln und aus Frankreichs Hauptstadt zu vertreiben, selbst auf nichts anderes als einen........

© Frankfurter Allgemeine


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