Christian Sewing ist ein red­licher Bankenpräsident. Frisch wiedergewählt, bezieht er Stellung. Er findet die richtigen Worte. Der Bankenpräsident, im Hauptberuf Deutsche-Bank-Chef, sorgt sich vor ei­nem Rechtsruck bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Die Prognosen für die AfD seien dort dramatisch, sagte er vor einigen Tagen „Dort geht es längst nicht mehr nur um parlamentarische Störmanöver. Dort geht es um die Zukunft unserer Demokratie – und auch unseres Standortes.“

Sewing hat es geschafft, sich als ranghoher Vertreter der Finanzbranche wieder Gehör zu verschaffen. Die Worte eines Bankenpräsidenten und Deutsche-Bank-Vorstandsvorsitzenden haben wieder Gewicht. Dass es nach dem Ausbruch der Finanzkrise mehr als 15 Jahre brauchen würde, um dies wieder zu kons­tatieren, zeigt den Vertrauensverlust, den Banker einst anrichteten. Der Schaden ist nicht vergessen, aber verarbeitet.

Sewing hat es auch in der Deutschen Bank geschafft, den Ton neu zu setzen. Seit seinem Amtsantritt 2018 ist es dem gebürtigen Ostwestfalen gelungen, die Bank wieder näher an ihre Kernkundschaft zu rücken. Weniger Glamour, mehr Hausmannskost. Weniger Skandale, mehr Bodenhaftung. Weniger High-End-Kundschaft, mehr Mittelstand. Die Ausrichtung der Banker auf ihre Kernaktivitäten ist klarer, das für ei­ne Bank so wichtige Vertrauen ist zurück. Die Belegschaft ist auch nicht mehr peinlich berührt, als Mitar­beiter einer Skandalbank gelten zu müssen.

Und doch stellt sich mehr und mehr die Frage, ob Sewing auch mittel- oder gar langfristig der richtige Mann auf diesem Posten ist. Der Aktienkurs kommt nicht recht vom Fleck. Innerhalb seiner Amtszeit ist er zwar kräftig gependelt, die Kursgewinne zu den gut 11 Euro zu seinem Amtsantritt bewegen sich aber im Centbereich. Angesichts positiver Ergebniszahlen für das Geschäftsjahr 2023 kletterte der Kurs am Donnerstag immerhin mal wieder zeitweise über 12 Euro – ein Plus von gut 5 Prozent im Vergleich zum Vortag.

Die über die Jahre eher maue Aktienkursentwicklung wird Sewing vielleicht auch persönlich ärgern. Für das größte deutsche Geldhaus mit Anspruch auf europäische, wenn nicht gar globale Bedeutung, ist eine Marktkapitalisierung von knapp 25 Milliarden Euro mickrig. Die amerikanische Investmentbank JP Morgan ist etwa achtzehnmal so viel wert. Was großen institutionellen Anlegern und Privat­an­legern fehlt, ist das, was man an den Kapitalmärkten eine „Equity-Story“ nennt, eine Wachstumsgeschichte für die Zukunft.

Die bleibt Sewing schuldig. Die Deutsche Bank soll weiter wachsen. Das sollte als Minimalziel gelten. Kostenkontrolle spielt eine große Rolle. Allein bei den Mitarbeitern soll es zu einem weiteren Abbau um 3500 Stellen kommen. Die Effizienzgewinne sollen in die Milliarden gehen, die Aufwands- und Ertragsrelation auf unter 62,5 Prozent sinken. Ein Wert, der im Vergleich zu anderen euro­­päischen Banken noch immer hoch ist.

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Sewing hat sich als effizienter Restrukturierer bewährt. Er hat die Bank wieder in die Spur gebracht. Seine Aussicht auf die Zukunft aber ist wenig konkret, gehört sogar noch immer in die Schublade der Ver­trauensbildung. Sewing setzt per­spektivisch auf Wachstumspotentiale, Expertise und die Partnerschaft mit Kunden. Solche Wörter waren in den wilden Jahren des Hochmuts zu Fremdwörtern geworden. Dass diese Zeiten vorbei sind, ist beruhigend. Deutschland braucht eine starke, verlässliche, globale deutsche Bank. Der aktuelle Vorstand ist aber noch immer dabei, Marktteilnehmer davon zu überzeugen, dass Versprechungen gelten. Das Liefern von Ergebnissen ist für die Deutsche Bank auch 2024 noch immer ein Wert an sich.

Wie aus dem Nichts ist inzwischen das Gerücht aufgetaucht, ob die wieder erstarkte Deutsche Bank Interesse an der ebenfalls restrukturierten Commerzbank haben könnte. Aus welchen Motiven dieses Gerücht auch immer aufgebracht worden sein mag, die immer wieder aufflammenden Spekulationen über einen Zusammenschluss zeigen zweierlei: Zum ei­nen wird die Deutsche Bank wieder als Jägerin wahrgenommen, nicht mehr als Gejagte. Zum anderen stellt sich die Frage nach Größe: Ist die Deutsche Bank auf Dauer am Ende nicht doch zu klein, um im globalen Wettbewerb – vor allem mit den US-Banken – bestehen zu können?

An diesen Diskussionen hat Sewing zum jetzigen Zeitpunkt kein Interesse. Der gelernte Risikomanager fährt auch angesichts der vielen globalen Krisen auf Sicht. Er wird schon bald mehr Phantasie entwickeln müssen.

QOSHE - Der Deutschen Bank fehlt Phantasie - Inken Schönauer
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Der Deutschen Bank fehlt Phantasie

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01.02.2024

Christian Sewing ist ein red­licher Bankenpräsident. Frisch wiedergewählt, bezieht er Stellung. Er findet die richtigen Worte. Der Bankenpräsident, im Hauptberuf Deutsche-Bank-Chef, sorgt sich vor ei­nem Rechtsruck bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg. Die Prognosen für die AfD seien dort dramatisch, sagte er vor einigen Tagen „Dort geht es längst nicht mehr nur um parlamentarische Störmanöver. Dort geht es um die Zukunft unserer Demokratie – und auch unseres Standortes.“

Sewing hat es geschafft, sich als ranghoher Vertreter der Finanzbranche wieder Gehör zu verschaffen. Die Worte eines Bankenpräsidenten und Deutsche-Bank-Vorstandsvorsitzenden haben wieder Gewicht. Dass es nach dem Ausbruch der Finanzkrise mehr als 15 Jahre brauchen würde, um dies wieder zu kons­tatieren, zeigt den Vertrauensverlust, den Banker einst anrichteten. Der Schaden ist nicht vergessen, aber verarbeitet.

Sewing hat es auch in der Deutschen Bank geschafft, den Ton neu zu setzen. Seit seinem Amtsantritt 2018 ist es dem gebürtigen Ostwestfalen gelungen, die Bank wieder näher an ihre Kernkundschaft zu rücken. Weniger Glamour, mehr Hausmannskost. Weniger Skandale, mehr........

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