Stein auf Stein, doch so bald wird das Häuschen nicht fertig sein. Nur im Kinderlied wächst die Mauer für das neue Heim rasch in die Höhe. Bis hierzulande fleißige Handwerker den ersten Stein auf der Baustelle überhaupt setzen dürfen, ist oft schon viel Zeit für den Prozess des Planens und Genehmigens vergangenen. Dazu erschweren Finanzierungssorgen nun Neubauvorhaben in Deutschland, was vornehmlich an einer Melange aus raschem Zinsanstieg, höheren Baukosten und der allgemeinen wirtschaftlichen Zurückhaltung liegt.

Dabei hatte sich die Bundesregierung zu Beginn der Koalition von SPD, Grünen und FDP vor fast zwei Jahren das Ziel gesetzt, den Wohnungsbau deutlich auszuweiten: 400.000 neue Wohnungen im Jahr sollten entstehen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Das wird nicht zu schaffen sein. Stattdessen sank die Zahl der Baugenehmigungen in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 28 Prozent auf nur mehr 195.100 Wohnungen. Besserung ist am Horizont damit nicht in Sicht.

Vor allen in den größeren Städten übersteigt der Bedarf an Wohnraum das Angebot. Der richtige Ansatz, mehr zu bauen, hapert jedoch an der Umsetzung in der Breite. Rasch lässt sich das kaum verbessern, weil der Prozess von der Planung und Finanzierung bis zum Einzug gerade für größere Projekte auf Jahre angelegt ist. So dauert es voraussichtlich noch bis 2027, bis ein Quartier mit etwa 900 Wohnungen mehrerer Immobilienunternehmen in Frankfurt nahe des Rebstockparks fertig ist. Die Stadt hatte das Bebauungskonzept dazu vor fast fünf Jahren vorgestellt.

Für viele Wohnungssuchende in den Großstädten ist das zu spät. Und für viele Politiker ebenfalls: Wer ein größeres Wohnungsbauvorhaben vorantreibt, Flächen ausweist oder kommunale Grundstücke an Bauherrn verkauft, ist vielleicht nicht mehr im Amt, um die Früchte zu ernten. Dafür bekommt die lokale Politik sogleich den Ärger der Anwohner zu spüren, wenn ein Stückchen Grünfläche verschwindet, die Arbeit auf der Baustelle zu hören ist oder manchen der städtische Wandel an sich zu viel ist. Irgendjemand ist immer dagegen.

Für Politiker zählt die längerfristige Perspektive zu wenig, auf die es für die Immobilienwirtschaft und den Bau von Wohnungen ankommt. Hier wie auch auf anderen Politikfeldern geht es um das langsame Bohren harter Bretter. Ob Fachkräftemangel in Behörden, Kitas und Schulen, der Ausbau der Energieversorgung oder die Nöte im deutschen Rentensystem: Unbequeme Entscheidungen müssen heute getroffen werden, verbessern aber die Lage in der Regel erst perspektivisch.

So hat die „Agenda 2010“ des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder aus dem Jahr 2003 den Grundstein für einen längeren Aufschwung geleget. Doch an den Widerständen gegen den Umbau des Sozialsystems und des Arbeitsmarkts scheiterte seine Regierung zwei Jahre später, was der längerfristigen Perspektive in der deutschen Politik kaum geholfen hat.

So sagte Bundeskanzler Olaf Scholz vor mehr als einem Jahr zu den Sorgen, dass Deutschland in einem kalten Winter zu wenig Erdgas haben könnte: „Wir werden uns alle mit diesen Fragen beschäftigen müssen, wenn es so ist, dass wir ein Problem haben, dass nicht genug Energie zur Verfügung steht. Gegenwärtig haben wir genug, das gehört ja auch dazu.“ Die Energierabatte, die nun auslaufen, hatte seine Regierung erst im März nach den kälteren Monaten gestartet – und Hilfen für Januar und Februar rückwirkend ausgezahlt. Vorausschauende Politik sieht anders aus.

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Auch im Wohnungsbau werden sich Erleichterungen erst später zeigen. Das Fundament für mehr Wohnungen ist auch der Politik eigentlich klar: Weniger Bürokratie, weniger Steuern, mehr Aufstockungen und Nachverdichtungen, digitale Abläufe und der Einsatz von serieller und modularer Bauweise. Vor allem aber braucht es die Unterstützung vor Ort. Modellprojekte können als Zusammenspiel von Behörden und Baubetrieben ausprobieren, wie rasch ein Neubau möglich wäre und was dafür nötig ist.

Der Bau der Teslafabrik in Grünheide und des Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven haben ein Deutschland-Tempo vorgelegt, das als Vorbild taugt. Doch noch liegen im deutschen Wohnungsbau zu viele Steine im Weg. Schnell wird sich das kaum bessern: Der Wohnungsmangel bleibt den Städten noch eine Weile erhalten. Die Hürden müssen Stein für Stein sinken – auch wenn das dauert und sich erst später auszahlt.

QOSHE - Der Wohnungsmangel wird bleiben - Jan Hauser
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Der Wohnungsmangel wird bleiben

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03.12.2023

Stein auf Stein, doch so bald wird das Häuschen nicht fertig sein. Nur im Kinderlied wächst die Mauer für das neue Heim rasch in die Höhe. Bis hierzulande fleißige Handwerker den ersten Stein auf der Baustelle überhaupt setzen dürfen, ist oft schon viel Zeit für den Prozess des Planens und Genehmigens vergangenen. Dazu erschweren Finanzierungssorgen nun Neubauvorhaben in Deutschland, was vornehmlich an einer Melange aus raschem Zinsanstieg, höheren Baukosten und der allgemeinen wirtschaftlichen Zurückhaltung liegt.

Dabei hatte sich die Bundesregierung zu Beginn der Koalition von SPD, Grünen und FDP vor fast zwei Jahren das Ziel gesetzt, den Wohnungsbau deutlich auszuweiten: 400.000 neue Wohnungen im Jahr sollten entstehen, davon 100.000 Sozialwohnungen. Das wird nicht zu schaffen sein. Stattdessen sank die Zahl der Baugenehmigungen in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 28 Prozent auf nur mehr 195.100 Wohnungen. Besserung ist am Horizont damit nicht in Sicht.

Vor allen in den größeren Städten übersteigt der Bedarf an Wohnraum das Angebot. Der richtige Ansatz, mehr zu bauen, hapert jedoch an der Umsetzung in der Breite. Rasch........

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