Die Nachbarn pflegen eine freundschaftliche, fast liebevolle Rivalität. Das gehört in Bad Soden und Sulzbach zur Folklore. In der größeren und der direkt angrenzenden kleineren Kommune macht man gern Witze über die jeweils andere und ihre Bewohner. Doch die beiden Orte stehen auch tatsächlich in Konkurrenz zueinander. Wie fast alle Kommunen im Rhein-Main-Gebiet bemühen sie sich um die Ansiedlung neuer Unternehmen und pflegen den Kontakt zu den schon ansässigen Betrieben. Auf die Firmensitze sind die Kommunen angewiesen, weil sie einen Großteil ihrer Einnahmen aus der Gewerbesteuer beziehen. Reich ist, wer prosperierende Unternehmen auf seiner Gemarkung hat.

Bad Soden und Sulzbach tragen gerade einen Wettbewerb um das Unternehmen Cosnova aus. Dem Kosmetikhersteller geht es gut, das verspricht hohe Steuerzahlungen für die Stadt des Firmensitzes. Bisher arbeiten die 540 Mitarbeiter in Büros in Sulzbach – und Bad Soden hat jahrelang versucht, das Unternehmen mit dem bekanntem Namen abzuwerben. Das Kosmetikunternehmen wächst und wünscht sich eine größere Zen­trale.

Bad Soden hat eigens für diesen Neubau ein Gewerbegebiet maßgeschneidert. Doch nun will das Unternehmen in Sulzbach bleiben. Es hat einfach zu lange gedauert, bis die Stadt Bad Soden über einen Dienstleister die benötigten Grundstücke zusammenhatte. Dafür musste sie mit verschiedenen Eigentümern verhandeln, das zog sich hin. Cosnova hat nun ein altes Bürohaus in Sulzbach gekauft und will dort einziehen.

So zieht in diesem Fall im Wettbewerb mit dem Kleineren der Größere den Kürzeren. Doch Bad Soden ist gut beraten, das Gewerbegebiet weiter zu planen. Wenn Cosnova dort nicht bauen will, wird sich ein anderes Unternehmen über den Bauplatz freuen. Die ehemalige Kurstadt tut gut daran, sich nicht allein auf den im Ort immer noch stark vertretenen Gesundheitssektor zu verlassen.

Zwar verdienen Ärzte sehr gut an der wohlhabenden und älter werdenden Bewohnerschaft. Doch von den Medizinern und den Solequellen allein kann die frühere Kurstadt nicht existieren. Sie muss um Unternehmen anderer Branchen werben, wenn sie im Wettbewerb mit dem kleineren Nachbarn und anderen Kommunen der Region bestehen will.

QOSHE - Wenn zwei Kommunen sich um ein Unternehmen streiten - Jan Schiefenhövel
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Wenn zwei Kommunen sich um ein Unternehmen streiten

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25.01.2024

Die Nachbarn pflegen eine freundschaftliche, fast liebevolle Rivalität. Das gehört in Bad Soden und Sulzbach zur Folklore. In der größeren und der direkt angrenzenden kleineren Kommune macht man gern Witze über die jeweils andere und ihre Bewohner. Doch die beiden Orte stehen auch tatsächlich in Konkurrenz zueinander. Wie fast alle Kommunen im Rhein-Main-Gebiet bemühen sie sich um die Ansiedlung neuer Unternehmen und pflegen den Kontakt zu den schon ansässigen Betrieben. Auf die Firmensitze sind die Kommunen angewiesen, weil sie einen........

© Frankfurter Allgemeine


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