Der zehntausend Menschen fassende Plenarsaal in der Großen Halle des Volkes gleicht einem gigantischen Theater. Zwei achtzehn Meter hohe Vorhänge rahmen die riesige Bühne ein, auf der Chinas Nomenklatura um Xi Jinping herum Platz nimmt, den nunmehr einzigen Entscheidungsträger. Auch in Form und Inhalt wirkt der jährliche Volkskongress wie eine Aufführung, der ein Drehbuch zugrunde liegt.

Das chinesische Scheinparlament und die Regierung werden so stark von der Kommunistischen Partei gelenkt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf dem Volkskongress wurde nur mehr offenbar, was die Partei schon über die vergangenen Monate entschieden und gesagt hat. Sinnbildlich dazu war die Verzwergung des Ministerpräsidenten, der fortan nicht mal mehr eine eigene Pressekonferenz abhalten darf. Staatschef Xi duldet auch hinter sich keine alternativen Stimmen mehr.

So trug Ministerpräsident Li Qiang ein Wachstumsziel von fünf Prozent vor, ohne dass klar ist, wie China das erreichen will. Vielleicht soll die Zahl ­zuallererst das Volk beruhigen, denn Strukturreformen bleiben weiterhin aus. Xi Jinping erklärte die Wachstumsrate jüngst für ohnehin nicht so wichtig. Viel entscheidender sei ihm eine „hochwertige“ Wirtschaftspolitik.

Damit ist Chinas immer aggressivere Industriepolitik gemeint, die auf dem Volkskongress von allen maßgeblich Beteiligten noch einmal bestätigt wurde. Sie setzt auf Protektionismus und gestaltet das eigene Wirtschaftsmodell der Volksrepublik in zentralen Bereichen fundamental um. Xis Staat will die Wirtschaft nicht mehr nur lenken wie ohnehin schon. In als strategisch erachteten Sektoren lässt Xi ganze Firmenkonglomerate mit eigenen Zulieferern und Forschungszweigen aufbauen, in denen Chinas gesamte Entwicklungs- und Produktionsketten verbleiben.

Dies ist die Ursache für die zunehmenden Sanktionen aus Washington – und zugleich Xis Antwort auf sie. Eine brutale Industriepolitik soll China für den neuen kalten Krieg mit den USA härten. Xi stellt die Produktion in Sektoren sicher, die nicht nur für Chinas Exporte wichtig, sondern auch militärisch nutzbar sind; etwa in den Bereichen Fahrzeuge, Energieträger und Halbleiter.

„Neue Produktivkräfte“ nennt Xi dieses Konzept, das sein Ministerpräsident im Plenarsaal vortrug und das der Staats- und Parteichef in einer vielbeachteten Nebensitzung in der Großen Halle des Volkes selbst wiederholte. Einzelheiten bleiben im Dunkeln, und ob das Konzept funktioniert und Chinas Provinzen überhaupt wie gewünscht mitmachen, ist ebenfalls nicht gesagt. Klar ist nur, dass Xis Industriepolitik kaum Arbeitsplätze schafft und sich die Wirtschaftskrise erst einmal fortsetzen dürfte.

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Peking mag glauben, dass die Krise in einer Umbruchzeit nur vorübergehend ist. Ministerpräsident Li Qiang schwor die Provinzen offen darauf ein, den Gürtel enger zu schnallen – alles für das vorrangige Ziel: China auf die Auseinandersetzung mit den USA vorzubereiten und das eigene Parteisystem zu festigen. Daran hält Xi unbeirrbar fest. Dass sein Plan aufgeht, aus China mit leninistischen Ansätzen eine industrielle und militärische Supermacht zu machen, ist aber ungewiss. Die Verlierer sind schon jetzt die freie Wirtschaft – und die 1,4 Milliarden Chinesen.

QOSHE - China wappnet sich für einen Kalten Krieg mit den USA - Jochen Stahnke
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China wappnet sich für einen Kalten Krieg mit den USA

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10.03.2024

Der zehntausend Menschen fassende Plenarsaal in der Großen Halle des Volkes gleicht einem gigantischen Theater. Zwei achtzehn Meter hohe Vorhänge rahmen die riesige Bühne ein, auf der Chinas Nomenklatura um Xi Jinping herum Platz nimmt, den nunmehr einzigen Entscheidungsträger. Auch in Form und Inhalt wirkt der jährliche Volkskongress wie eine Aufführung, der ein Drehbuch zugrunde liegt.

Das chinesische Scheinparlament und die Regierung werden so stark von der Kommunistischen Partei gelenkt wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Auf dem Volkskongress wurde nur mehr offenbar, was die Partei schon über die vergangenen Monate entschieden und gesagt hat. Sinnbildlich dazu war die Verzwergung des Ministerpräsidenten, der fortan nicht mal mehr eine eigene Pressekonferenz abhalten darf. Staatschef Xi duldet auch hinter sich keine alternativen Stimmen mehr.

So trug........

© Frankfurter Allgemeine


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