Mit dem dritten aufeinanderfolgenden Wahlsieg der Fortschrittspartei haben die Taiwaner ihre Eigenständigkeit unterstrichen und für eine Fortführung der bisherigen Sicherheitspolitik gestimmt. Die nunmehr achte freie und faire Präsidentenwahl des Landes ist Ausweis einer gefestigten Demokratie. Gesellschaft und Politik rücken immer weiter in die Mitte, alle Kandidaten wollten den Status quo an der Taiwanstraße bewahren.

Doch dieser Status quo bröckelt, und das auf allen Seiten. Die meisten Inselbewohner verstehen sich als Taiwaner und lehnen eine Vereinigung mit dem Festland ab. Daran ändern weder Chinas wirtschaftliches Zuckerbrot noch die Peitsche militärischer Manöver etwas.

Nach Pekings Machtübernahme in Hongkong und der offenen Parteinahme für Putin macht sich in Taiwan kaum noch jemand Illusionen über den totalitären Charakter Chinas. So bleibt Peking vorerst nur die Defensive, indem es eine formale Unabhängigkeit Taiwans durch die Androhung eines Krieges verhindert.

Gleichzeitig stellt China den Status quo absichtlich infrage. Xi Jinping hat sich festgelegt, dass die Vereinigung mit Taiwan nicht mehr von Generation zu Generation verschoben wird. Sein Militär hat die Manöver rings um die Insel erheblich ausgeweitet. Taiwan reagiert mit Aufrüstung.

Auch die USA rücken mehr und mehr von ihrer „strategischen Uneindeutigkeit“ ab, ob sie der Republik im Kriegsfall zur Hilfe kommen oder nicht. Präsident Biden unterstreicht das durch eine deutliche Erhöhung der Waffenlieferungen und die Vervielfachung militärischer Berater in Taiwan.

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Daher dürften sich Xis Pläne an Amerika ausrichten. Sollte Donald Trump die Wahl gewinnen, dürfte der Status quo der internationalen Ordnung auf der Kippe stehen. Bis dahin können größere chinesische Aktionen gegen Taiwan dazu führen, dass China selbst zum Wahlkampfthema in Amerika werden würde. Nicht zuletzt Chinas Wirtschaftsschwäche und die Probleme im Militär dürften Taiwan viele weitere Friedensjahre verschaffen.

QOSHE - Der Status quo bröckelt - Jochen Stahnke
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Der Status quo bröckelt

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14.01.2024

Mit dem dritten aufeinanderfolgenden Wahlsieg der Fortschrittspartei haben die Taiwaner ihre Eigenständigkeit unterstrichen und für eine Fortführung der bisherigen Sicherheitspolitik gestimmt. Die nunmehr achte freie und faire Präsidentenwahl des Landes ist Ausweis einer gefestigten Demokratie. Gesellschaft und Politik rücken immer weiter in die Mitte, alle Kandidaten wollten den Status quo an der Taiwanstraße bewahren.

Doch dieser Status quo bröckelt, und das auf allen Seiten. Die meisten Inselbewohner verstehen sich als Taiwaner und lehnen eine Vereinigung mit dem........

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