Schweizer haben auf Reisen im Ausland derzeit gut lachen. Ihre Heimatwährung ist gegenüber dem Euro so stark wie noch nie. Bloß 0,93 Franken sind heute für einen Euro fällig – als die Gemeinschaftswährung vor 25 Jahren eingeführt wurde, kostete ein Euro 1,62 Franken. Und für einen Dollar müssen die Schweizer jetzt auch nur 0,85 Franken berappen.

Diese Frankenstärke erklärt sich zum Teil mit dem Nimbus der Schweiz als sicherem Hafen. Wie schon oft veranlassen auch jetzt die geopolitischen Unsicherheiten in aller Welt viele Investoren zur Flucht in die Schweizer Währung. Außerdem haben milliardenschwere Devisenverkäufe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die Frankenstärke zusätzlich befördert.

Eine bedeutende Rolle spielen zudem die Zinserwartungen. Viele Marktteilnehmer rechnen damit, dass die Federal Reserve (Fed) und die EZB ihre Leitzinsen 2024 schrittweise senken werden. Die Schweiz wird da nicht in vollem Umfang mitziehen können.

Schließlich liegt der Leitzins mit 1,75 Prozent deutlich unterhalb der Sätze in Amerika (5,25 bis 5,5 Prozent) und der Eurozone (4,5 Prozent). Das macht Anlagen in Dollar und Euro gegenüber dem Franken weniger attraktiv. Da folglich die Nachfrage nach Franken steigt, gewinnt er an Wert.

Die SNB brauchte die Zinsen nicht so stark zu erhöhen wie Fed und EZB, weil die von ihr beförderte Aufwertung des Frankens an der Preisfront die gewünschte Wirkung entfaltete: Ein starker Franken verbilligt die Importe in die Schweiz. Die Teuerung ist somit in der Eidgenossenschaft moderat geblieben und liegt mit 1,4 Prozent inzwischen innerhalb des Zielkorridors von 0 bis 2 Prozent.

Dazu trägt auch wesentlich bei, dass die Energiekosten im Warenkorb Schweizer Haushalte ein vergleichsweise geringes Gewicht haben und dank heimischer Energiequellen wie der Wasserkraft auch weniger stark gestiegen sind. Die protektionistische Landwirtschaftspolitik hat überdies dazu beigetragen, dass die Lebensmittelpreise deutlich weniger stark zugelegt haben als andernorts.

Aus der Schweizer Wirtschaft sind bisher kaum Wehklagen über die Frankenstärke und die Geldpolitik zu hören. Das erklärt sich damit, dass die inflationsbereinigte (reale) Aufwertung des Frankens deutlich geringer ist, als es die nominale Wechselkursveränderung vermuten lässt. Schweizer Exporteure können ihre Verkaufspreise im Ausland zuweilen anheben, ohne von den Kunden abgestraft zu werden, weil die Inflation dort ohnehin höher ist als in der Heimat.

Außerdem profitieren die Schweizer Unternehmen auch im Inland von der niedrigen Inflation: Gemäß Umfragen werden die Löhne in diesem Jahr trotz des Fach- und Arbeitskräftemangels nominal nur um 1,9 Prozent steigen. Zum Vergleich: In Deutschland ist nach einer Erhebung des Ifo-Instituts mit einer durchschnittlichen Lohnsteigerung von 4,7 Prozent zu rechnen.

Trotzdem verdüstert sich auch in der Schweiz die konjunkturelle Lage. Zwar droht keine Rezession, aber nach den Prognosen des Staatssekretariats für Wirtschaft in Bern dürfte das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr real nur um 1,1 Prozent wachsen, nach geschätzten 1,3 Prozent im Jahr 2023. Die exportstarke Schweizer Wirtschaft leidet unter der Nachfrageschwäche im Ausland, wobei den Unternehmen vor allem die Auftragsflaute im wichtigen Absatzmarkt Deutschland zu schaffen macht.

Auch die gedämpfte Konjunktur in China schlägt ins Kontor. Stützend wirkt hingegen der inländische Privatkonsum, der von der geringen Inflation, der Vollbeschäftigung sowie der wachsenden Schar ausländischer Zuwanderer befördert wird.

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Wegen steigender Mieten und Strompreise sowie der Erhöhung der Mehrwertsteuer dürfte die Teuerung 2024 wieder zunehmen. Die SNB erwartet aber, dass sie innerhalb des Zielkorridors und damit unterhalb der Inflationsraten in Amerika und dem Euroraum bleibt.

Dies könnte zu einer weiteren Aufwertung des Frankens führen, was von einem gewissen Punkt an doch noch deutlichere Bremsspuren in der Wirtschaft hinterlassen könnte. Deshalb ist es denkbar, dass die SNB demnächst wieder Devisen kauft, statt verkauft, um den Franken zu schwächen.

Die Regierung in Bern täte gut daran, auch selbst einen Beitrag zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts zu leisten. Einen ersten Schritt in diese Richtung sollte sie unternehmen, indem sie nun zügig mit der EU über das auf dem Tisch liegende Paket bilateraler Abkommen verhandelt. Gerade in diesen unsicheren Zeiten braucht die Schweizer Wirtschaft einen gesicherten Zugang zum europäischen Binnenmarkt.

QOSHE - Die zweischneidige Franken-Stärke - Johannes Ritter, Zürich
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Die zweischneidige Franken-Stärke

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07.01.2024

Schweizer haben auf Reisen im Ausland derzeit gut lachen. Ihre Heimatwährung ist gegenüber dem Euro so stark wie noch nie. Bloß 0,93 Franken sind heute für einen Euro fällig – als die Gemeinschaftswährung vor 25 Jahren eingeführt wurde, kostete ein Euro 1,62 Franken. Und für einen Dollar müssen die Schweizer jetzt auch nur 0,85 Franken berappen.

Diese Frankenstärke erklärt sich zum Teil mit dem Nimbus der Schweiz als sicherem Hafen. Wie schon oft veranlassen auch jetzt die geopolitischen Unsicherheiten in aller Welt viele Investoren zur Flucht in die Schweizer Währung. Außerdem haben milliardenschwere Devisenverkäufe der Schweizerischen Nationalbank (SNB) die Frankenstärke zusätzlich befördert.

Eine bedeutende Rolle spielen zudem die Zinserwartungen. Viele Marktteilnehmer rechnen damit, dass die Federal Reserve (Fed) und die EZB ihre Leitzinsen 2024 schrittweise senken werden. Die Schweiz wird da nicht in vollem Umfang mitziehen können.

Schließlich liegt der Leitzins mit 1,75 Prozent deutlich unterhalb der Sätze in Amerika (5,25 bis 5,5 Prozent) und der Eurozone (4,5 Prozent). Das macht Anlagen in Dollar und Euro gegenüber dem Franken weniger........

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