Wer hat an der Uhr gedreht? Der rosarote Panther hat sicherlich keine Schuld daran, dass unsere Stunden dahinrinnen wie Wasser durch ein Sieb. Hilfreich ist die neue Zeitverwendungserhebung, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch präsentierte. Im behördlichen Auftrag führten 20.000 Menschen Tagebuch, im Zehn-Minuten-Takt sollten sie ihre Tätigkeit protokollieren. Eine gute Übung, denn Arbeitnehmer werden sich infolge des vom Europäischen Gerichtshof gesprochenen Rechts daran gewöhnen müssen, exakt zwischen Arbeit und Freizeit unter­scheiden zu müssen.

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Wir ahnten es, nun haben wir es amtlich: Die Deutschen schlafen länger und arbeiten weniger. Konkret nahm die Zeit für Schlafen und Körperpflege seit 2012 um sieben Minuten auf 9:38 zu, während der tägliche Aufwand für Erwerbsarbeit und Bildung durchschnittlich um 18 Minuten auf 2:58 Minuten sank. Nun gibt es berechtigte Einwände gegen diese Darstellung, schließlich wurden nicht nur Werktage, sondern zu einem Drittel auch freie ­Tage ausgewertet, außerdem sind alle Menschen ab einem Alter von zehn Jahren berücksichtigt, mithin auch die Rentner, und die werden schließlich mehr. Aber trotzdem: Eine Gesellschaft, deren Mitglieder – egal aus welchen Gründen – im Schnitt nur drei Stunden am Tag arbeiten oder lernen, wird sich schwertun, mit jenen Nationen mitzuhalten , die ohne Stechuhr für ihren Aufstieg kämpfen. Zumal die offizielle Statistik auch Wegezeiten einbezieht.

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Da zumindest könnte man etwas tun. Baustellen haben sich als probates Mittel erwiesen, die Wege Berufstätiger zu verlängern, vor allem wenn man den Fortgang der Arbeit maximal hinauszögert. Die Stadt Frankfurt am Main hat einige Erfahrung darin, die sich nun einem neuen Höhepunkt nähert. Im Ortsteil Sachsenhausen soll ein Kreisverkehr die Ampeln an einer von 14.000 Autos am Tag befahrenen Kreuzung ersetzen. Anfang Februar wurde die Kreuzung komplett gesperrt, Chaos auf den umliegenden Wohnstraßen ist die natürliche Folge. Mitte 2025 soll der perfekte Kreisel mit viereinhalb Meter breiter Fahrbahn, Fahrradstreifen, barrierefreien Fußgängerüberwegen und einem unterirdischen Altglascontainer fertiggestellt sein. Anderthalb Jahre Bauzeit für einen Kreisverkehr? Ob die nur drei Stunden am Tag daran arbeiten?

QOSHE - Länger schlafen - Johannes Winterhagen
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Länger schlafen

12 0
03.03.2024

Wer hat an der Uhr gedreht? Der rosarote Panther hat sicherlich keine Schuld daran, dass unsere Stunden dahinrinnen wie Wasser durch ein Sieb. Hilfreich ist die neue Zeitverwendungserhebung, die das Statistische Bundesamt am Mittwoch präsentierte. Im behördlichen Auftrag führten 20.000 Menschen Tagebuch, im Zehn-Minuten-Takt sollten sie ihre Tätigkeit protokollieren. Eine gute Übung, denn Arbeitnehmer werden sich infolge des vom Europäischen Gerichtshof gesprochenen Rechts daran gewöhnen müssen, exakt zwischen Arbeit und Freizeit unter­scheiden zu........

© Frankfurter Allgemeine


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