Der Philosoph Donald Davidson hat einmal festgehalten, dass wir sprachliche Äußerungen nur verstehen können, wenn wir dem „Prinzip des Wohlwollens“ (principle of charity) folgen. Es verlangt von uns, den Äußerungen anderer möglichst viel Verstand und Wirklichkeitsbezug zu unterstellen. Wir nehmen in der Regel an, dass die Leute meinen, was sie sagen, und dafür einen Grund haben, indem sie sich etwa auf irgendwelche Tatsachen beziehen. Wir gewinnen, so Davidson, ein Maximum an Sinn aus den Worten und Gedanken anderer, wenn wir sie auf eine Weise deuten, die unsere Übereinstimmung mit ihnen optimiert.

Die Ausnahmen liegen auf der Hand. Wenn es sich um Reklame handelt oder um Parteitagsreden oder um Wladimir Putin, gehen wir mit Äußerungen vorsichtiger um. Im Alltag jedoch unterstellen wir, wenn jemand mitteilt, auf den Bus zu warten, natürlich, dass es einen Bus gibt und der Sprecher weder ein Spion ist, der nur so tut, als warte er auf den Bus, noch ein Verrückter, der in seinem Badezimmer auf den Bus wartet.

QOSHE - Das Prinzip maximalen Misstrauens - Jürgen Kaube
menu_open
Columnists Actual . Favourites . Archive
We use cookies to provide some features and experiences in QOSHE

More information  .  Close
Aa Aa Aa
- A +

Das Prinzip maximalen Misstrauens

6 0
08.12.2023

Der Philosoph Donald Davidson hat einmal festgehalten, dass wir sprachliche Äußerungen nur verstehen können, wenn wir dem „Prinzip des Wohlwollens“ (principle of charity) folgen. Es verlangt von uns, den Äußerungen anderer möglichst viel Verstand und........

© Frankfurter Allgemeine

Get it on Google Play